Reverse-Charge-Verfahren
Wareneinkauf im Ausland: Rechtskonforme Rechnungsstellung
Stand Oktober 2025 - Lesezeit: 5 Minuten
Beim Wareneinkauf im EU-Ausland müssen Online-Händler die korrekte umsatzsteuerliche Behandlung sicherstellen. Zur Vereinfachung der grenzüberschreitenden Besteuerung dient das sogenannte Reverse-Charge-Verfahren. Dabei geht die Steuerschuldnerschaft auf den Erwerber über. Er hat die Umsatzsteuer in seiner Umsatzsteuervoranmeldung anzugeben und ist zugleich zum Vorsteuerabzug berechtigt.
In diesem Beitrag erfahren Sie, was genau das Reverse-Charge-Verfahren ist, wie Sie es beim Wareneinkauf im Ausland korrekt anwenden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und worauf Sie in der Praxis unbedingt achten sollten.
Patrick Frobeen
Geschäftsführer & Steuerberater
Seit 2012 ist Patrick Geschäftsführer der steueragenten.de-Gruppe und leitet den Bereich E-Commerce. Er und sein Team beraten zahlreiche national und EU-weit agierende Onlinehändler in allen steuerrelevanten Fragestellungen.
Inhalt
- Was ist das Reverse-Charge-Verfahren?
- Was sind Vorteile des Reverse-Charge-Verfahrens für Unternehmen?
- Wann greift das Reverse-Charge-Verfahren beim Wareneinkauf im Ausland?
- Innergemeinschaftlicher Warenverkehr: Was sind Voraussetzungen für die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens?
- Checkliste: Rechnungsanforderungen im Reverse-Charge-Verfahren
- Wareneinkauf im Ausland nach Reverse-Charge richtig buchen: Beispiel aus der Buchhaltung
- Reverse-Charge bei Drittlandgeschäften: Was müssen Unternehmer beachten?
- 4 häufige Fehlerquellen beim Wareneinkauf im Ausland und wie Sie diese vermeiden
- Fazit: So gelingt der sichere Umgang mit dem Reverse-Charge-Verfahren
- FAQ zum Thema Wareneinkauf-Ausland und Reverse-Charge-Verfahren
1. Was ist das Reverse-Charge-Verfahren?
Reverse-Charge-Verfahren bedeutet zu Deutsch „Umkehrung der Steuerschuldnerschaft“. Hier verlagert sich die Pflicht zur Abführung der Umsatzsteuer auf den Leistungsempfänger. Das sind Regelungen:
- Verlagerung der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger
- Pflicht zur Berechnung und Meldung über die Umsatzsteuervoranmeldung
- Möglichkeit des Vorsteuerabzugs, sofern Berechtigung vorliegt
2. Was sind Vorteile des Reverse-Charge-Verfahrens für Unternehmen?
Das sind die Vorteile des Reverse-Charge-Verfahrens für Ihr Unternehmen im Überblick:
- Liquiditätsvorteil: Keine Zahlung von Umsatzsteuer an den Lieferanten
- Vereinfachung der Prozesse: Standardisierte Vorgehensweise im EU-Raum
- Vermeidung von Doppelbesteuerung
- Schnellere Verarbeitung von Eingangsrechnungen
- Mehr Transparenz und Kontrolle bei der Steuererklärung
3. Wann greift das Reverse-Charge-Verfahren beim Wareneinkauf im Ausland?
Das Reverse-Charge-Verfahren wird zum Beispiel in folgenden Fällen eingesetzt:
- Innergemeinschaftlicher Erwerb: Sie kaufen Waren von einem Unternehmen aus einem anderen EU-Mitgliedstaat.
- Einfuhr von Waren aus dem Drittland: In diesem Fall findet zwar kein klassisches Reverse-Charge-Verfahren Anwendung, jedoch greifen vergleichbare Regelungen, beispielsweise im Zusammenhang mit der Einfuhrumsatzsteuer.
- Dienstleistungen aus dem Ausland: Auch bei bestimmten grenzüberschreitenden Dienstleistungen greift Reverse Charge, etwa bei Beratungsleistungen oder Softwarelieferungen.
Dieser Beitrag fokussiert sich auf den Anwendungsbereich des Reverse-Charge-Verfahrens innergemeinschaftlicher Erwerb von Waren, also dem Wareneinkauf innerhalb der EU.
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4. Innergemeinschaftlicher Warenverkehr: Was sind Voraussetzungen für die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens?
Damit das Reverse-Charge-Verfahren bei innergemeinschaftlichen Wareneinkäufen greift, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
a) Unternehmerstellung der Beteiligten: Sowohl Lieferant als auch Erwerber müssen im umsatzsteuerlichen Sinne Unternehmer sein. Privatpersonen sowie Kleinunternehmer nach § 19 UStG sind vom Reverse-Charge-Verfahren ausgeschlossen.
b) Umsatzsteuer-Identifikationsnummer: Beide Parteien benötigen eine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.), die auf der Rechnung anzugeben ist. Zudem muss die Gültigkeit der Nummern über das EU-weite MIAS-System (VIES) überprüfbar sein.
c) Innergemeinschaftliche Warenbewegung: Voraussetzung ist ferner, dass die Ware tatsächlich von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen verbracht wird. Nur in diesem Fall liegt ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor, auf den das Reverse-Charge-Verfahren anzuwenden ist.
Besonderheiten im innergemeinschaftlichen Erwerb
d) Dreiecksgeschäfte: Sind an einer Lieferung drei Unternehmer mit Sitz in unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten beteiligt, liegt unter Umständen ein Dreiecksgeschäft vor. Für diese Konstellation gelten besondere Vereinfachungsregelungen gemäß § 25b UStG.
e) Konsignationslager (Call-off-Stock): Befördert oder versendet ein Lieferant Waren zunächst in ein Lager im Bestimmungsland, aus dem der Erwerber die Güter später abruft, handelt es sich um ein Konsignationslager. Seit 2020 bestehen hierfür unionsweit einheitliche Regelungen.
5. Checkliste: Rechnungsanforderungen im Reverse-Charge-Verfahren
Zusammengefasst gelten folgende Rechnungsanforderungen für Lieferanten im innergemeinschaftlichen Erwerb:
- Keine Umsatzbesteuerung: Auf der Rechnung ist nur der Nettobetrag ausgewiesen.
- Hinweis auf steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung: Die Rechnung enthält einen Hinweis wie „Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung gemäß § 4 Nr. 1b UStG i.V.m. § 6a UStG“.
- Umsatzsteuer-Identifikationsnummer: Die Rechnung weist die USt-IdNr. beider Parteien aus.
- Weitere Pflichtangaben gemäß § 14 UStG
Auf Empfängerseite sind folgende Angaben für die buchhalterische Umsetzung wichtig:
- Eigene Umsatzsteuerberechnung
- Angabe in der Umsatzsteuer-Voranmeldung (Zeile 33 und 36 in Elster)
- Deklaration im innergemeinschaftlichen Erwerb (Zeile 21/22)
6. Wareneinkauf im Ausland nach Reverse-Charge richtig buchen: Beispiel aus der Buchhaltung
In der Praxis wird der innergemeinschaftliche Erwerb wie folgt gebucht:
| Buchungsschritt | Soll | Haben |
| 1. Wareneingang | Wareneingang (z. B. 3400) | Verbindlichkeiten (z. B. 3300) |
| 2. Umsatzsteuer | Vorsteuer innerg. Erwerb (1574) | Umsatzsteuer innerg. Erwerb (1774) |
Beide Beträge sind gleich hoch und neutralisieren sich in der Steuerbilanz. Voraussetzung ist natürlich, dass ein Vorsteuerabzug besteht.
7. Reverse-Charge bei Drittlandgeschäften: Was müssen Unternehmer beachten?
Bei Einkäufen Drittländern wie USA und China greift nicht das Reverse-Charge-Verfahren im engeren Sinne, aber Sie sind dennoch verpflichtet, Einfuhrumsatzsteuer für die Waren zu entrichten. Die Steuer wird in der Regel durch den Zoll erhoben.
Seit 2021 können Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen die Einfuhrumsatzsteuer direkt in der Umsatzsteuervoranmeldung geltend machen (sog. Verlagerung der Steuerschuldnerschaft gemäß § 21 Abs. 2 UStG).
Achten Sie bei der Warenlieferung auf folgende Punkte:
- Verzollung und Anmeldung beim Zoll
- Ggf. Verwendung einer Zollnummer (EORI)
- Nachweislich richtige Deklaration der importierten Waren
8. 4 häufige Fehlerquellen beim Wareneinkauf im Ausland und wie Sie diese vermeiden
a) Ungültige oder falsche USt-IdNr.
Stellen Sie vor jedem Wareneinkauf sicher, dass die USt-IdNr. des Lieferanten im EU-Tool (VIES) gültig ist. Dokumentieren Sie die Abfrage zur eigenen Absicherung.
b) Keine physische Warenbewegung
Liegt kein grenzüberschreitender Warenverkehr vor, handelt es sich nicht um einen innergemeinschaftlichen Erwerb – das Reverse-Charge-Verfahren greift nicht.
c) Falsche oder fehlende Buchung
Oft wird vergessen, den Umsatzsteuer- und Vorsteuerbetrag zu buchen. Das kann zu fehlerhaften Voranmeldungen führen und bei einer Betriebsprüfung Probleme verursachen.
d) Falscher Zeitpunkt der Steuerentstehung
Die Umsatzsteuer entsteht mit dem Empfang der Rechnung oder dem Zeitpunkt der Lieferung – je nachdem, was früher ist. Achten Sie auf eine zeitnahe Verbuchung.
9. Fazit: So gelingt der sichere Umgang mit dem Reverse-Charge-Verfahren
Das Reverse-Charge-Verfahren ist ein unverzichtbares Instrument, um den Wareneinkauf aus dem Ausland gemäß Rechtsprechung abzuwickeln. Die wichtigsten Punkte auf einen Blick:
✅ Prüfen Sie regelmäßig die USt-IdNr. Ihrer Lieferanten.
✅ Achten Sie auf eine korrekte und vollständige Rechnung.
✅ Buchen Sie die Erwerbssteuer und Vorsteuer korrekt.
✅ Halten Sie sich an die aktuellen gesetzlichen Vorgaben.
✅ Nutzen Sie Unterstützung durch Steuerberater oder Buchhaltungssoftware.
Mit dem richtigen Wissen und klaren Prozessen lassen sich Fehler vermeiden und steuerliche Vorteile optimal nutzen.
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10. FAQ zum Thema Wareneinkauf-Ausland und Reverse-Charge-Verfahren
Wann findet das Reverse-Charge-Verfahren Anwendung beim Wareneinkauf?
Das Reverse-Charge-Verfahren greift, wenn Unternehmen Waren von einem Unternehmen aus einem anderen EU-Staat erwerben und die Voraussetzungen des innergemeinschaftlichen Erwerbs erfüllt sind.
Muss ich die Umsatzsteuer trotzdem zahlen?
Sie müssen sie in Ihrer Umsatzsteuervoranmeldung deklarieren, aber nicht tatsächlich an den Lieferanten zahlen. Sie führen sie rechnerisch ab und ziehen sie gleichzeitig wieder ab.
Gilt Reverse Charge auch bei Dienstleistungen?
Bei bestimmten grenzüberschreitenden Dienstleistungen greift ebenfalls die Umkehr der Steuerschuldnerschaft (Reverse Charge), insbesondere bei B2B-Geschäften.
Was passiert bei Fehlern im Reverse-Charge-Verfahren?
Fehler im Reverse-Charge-Verfahren können zu Nachzahlungen, Verzugszinsen oder gar Bußgeldern führen. Eine korrekte Buchführung ist daher entscheidend.
Wie prüfe ich eine USt-IdNr.?
Über das offizielle MIAS-System (VIES) der EU: https://ec.europa.eu/taxation_customs/vies
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