Mandanten-News - 12/22 - steueragenten.de

Mandanten-
rundschreiben

12/2022

Dezember 2022

1.   Bekanntgabe- und Inhaltsadressat eines Umsatzsteuerbescheids für eine GbR

Der an eine GbR übermittelte Umsatzsteuerbescheid ist hinreichend bestimmt, wenn er an einen Gesellschafter mit dem Zusatz "für GbR ..." ergeht. Außerdem muss sich aus dem Steuerfahndungsbericht die einzelnen Gesellschafter der aus Sicht der Behörde bestehenden Gesellschaft ergeben.

Hintergrund

Aufgrund von Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle war das Finanzamt der Meinung, dass die 4 natürlichen Personen B, C, D und E eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bildeten und in diesem Rahmen Umsätze erzielten. Diese GbR erfasste das Finanzamt unter der Bezeichnung "A GbR", vergab insoweit eine Steuernummer und nahm eine Schätzung der Umsatzsteuer vor.

Die Umsatzsteuerbescheide wurden nebst Steuerfahndungsbericht an die Personen versandt, die nach Auffassung das Finanzamts der GbR zugehörig waren. Unterhalb des Empfängerfeldes, in dem Adressat und Adresse aufgeführt waren, befand sich dabei der Zusatz: "Für Ges. bürgerlichen Rechts (…) Festsetzung und Abrechnung". Die einzelnen Namen der Personen, welche nach Auffassung das Finanzamts die Gesellschafter der GbR waren, fanden sich dort nicht.

Die Gesellschafter B und C legten gegen die Umsatzsteuerbescheide Einsprüche ein, die das Finanzamt mit der Begründung als unzulässig verwarf, dass die Umsatzsteuerbescheide ihnen jeweils nur als Bekanntgabeadressaten bekannt gegeben worden seien. Inhaltsadressat der Bescheide sei die GbR gewesen. Für die wirksame und zulässige Anfechtung der Bescheide sei ein Einspruch der GbR erforderlich, welcher ein gemeinschaftliches Handeln aller Gesellschafter voraussetze.

Entscheidung

Das Finanzgericht hat die durch B und C erhobenen Klagen als unzulässig verworfen.

Gem. § 40 Abs. 2 FGO sei eine Klage nur zulässig, wenn mit ihr vom Kläger bzw. der Klägerin geltend gemacht werde, durch den Verwaltungsakt in seinen bzw. ihren Rechten verletzt zu sein. Eine Verletzung in "eigenen" Rechten könne regelmäßig nur der jeweilige Inhaltsadressat des Verwaltungsakts geltend machen, also derjenige, gegen den sich der Verwaltungsakt seinem Regelungsgehalt nach richte. Dies sei bei Steuerbescheiden derjenige, gegen den als Steuerschuldner die Steuer festgesetzt werde. Die Gesellschafter einer GbR – als umsatzsteuerlich eigenständiges Steuersubjekt – seien durch einen Umsatzsteuerbescheid, der sich gegen die – sei es bestehende oder sei es vermeintliche – Gesellschaft richte, nicht beschwert, weil eine Vollstreckung aus diesem Bescheid nur in das Gesellschaftsvermögen der GbR erfolgen könne.

Die Vollstreckung in das Privatvermögen der Gesellschafter ermöglichten erst etwaige ergangene oder später noch ergehende Haftungsbescheide, gegen welche die Gesellschafter dann jeweils gesondert Rechtsbehelfe (Einsprüche und ggf. Klage) einlegen könnten.

Bei nicht rechtsfähigen Personengemeinschaften (nicht rechtsfähiger Verein, GbR, Erben- und Grundstücksgemeinschaft) ist der Verwaltungsakt grundsätzlich an die Gesellschafter bzw. Gemeinschafter zu richten. Bekanntzugeben ist insoweit grundsätzlich an den Geschäftsführer oder an den Verfügungsberechtigten. Sind solche nicht vorhanden, dann kann das Finanzamt wahlweise an jeden Gesellschafter bzw. Gemeinschafter bekanntgeben. Sind mehrere Vertreter bestellt, kann das Finanzamt ebenfalls wahlweise an einen von ihnen den Verwaltungsakt bekanntgeben.

Das Finanzamt hat die Bescheide an einen aus seiner Sicht der GbR zughörigen Gesellschafter und – obwohl dies nach den o. g. Grundsätzen nicht erforderlich war – zudem an die weiteren aus Sicht der Behörde der GbR zugehörige Personen bekanntgegeben.

Der insoweit ordnungsgemäß bekannt gemachte Bescheid war auch inhaltlich hinreichend bestimmt. Ein Steuerbescheid muss angeben, wer die Steuer schuldet. Es ist ausreichend, wenn der an den Bekanntgabeadressaten adressierte Bescheid einen Zusatz enthält, für welche Gesellschaft oder welche Personenvereinigung der Bescheid gemeint ist. Denn mit einem solchen Zusatz wird hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass die darin benannte Personenvereinigung oder Personengesellschaft Inhaltsadressatin sein soll, während der Adressat lediglich Bekanntgabeadressat ist.

2.   Betrieb von Geldspielautomaten bleibt umsatzsteuerpflichtig

An der Umsatzsteuerpflicht der Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit bestehen auch nach Einführung der sog. virtuellen Automatensteuer zum 1.7.2021 keine ernstlichen Zweifel.

Hintergrund

Das Finanzamt unterwarf im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid August 2021 die Umsätze der Antragstellerin (A) aus dem Betrieb ihrer Geldspielautomaten (wie in den Vormonaten) weiterhin der Umsatzsteuer.

Dagegen legte die A Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf AdV lehnte das Finanzamt ab.

A beantragte darauf erfolgreich die AdV beim Finanzgericht. Dieses setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlung August 2021 von der Vollziehung aus. Es bejahte Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Neutralitätsgrundsatz.

Gegen diesen Beschluss wandte sich das Finanzamt mit seiner Beschwerde zum Bundesfinanzhof.

Entscheidung

Die Beschwerde war erfolgreich. Das Finanzgericht hat zu Unrecht die Gleichartigkeit von terrestrischem und virtuellem Automatenspiel bejaht. An der vom Bundesfinanzhof bejahten Umsatzsteuerpflicht für seit dem 6.5.2006 ausgeführte Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten bestehen für Umsätze seit dem 1.7.2021 weiterhin keine ernstlichen Zweifel.

Am Beispiel von Beförderungsleistungen hat der EuGH erläutert, dass Unterschiede im rechtlichen Rahmen bzw. in den rechtlichen Anforderungen, denen die Beförderungsarten unterliegen, in den Augen des Nutzers einen Unterschied zwischen den Beförderungsarten schaffen können. Sie können seine Entscheidung, die eine oder die andere Beförderungsart zu wählen, beeinflussen. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität steht daher ihrer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung nicht entgegen.

Hiervon ausgehend sind die Überlegungen des Gesetzgebers eine unionsrechtlich zulässige Differenzierungsgrundlage. Der Gesetzgeber wies bei der Erweiterung der Rennwett- und Lotteriesteuerpflicht auf virtuelle Automatenspiele, die dadurch (unter Ausklammerung des terrestrischen Automatenspiels) umsatzsteuerfrei wurden, auf die Unterschiede im Rechtsrahmen hin. Zum einen bestehen unterschiedliche ordnungsrechtliche Rahmenbedingungen z. B. hinsichtlich der Ausschüttungen oder gewerberechtlicher Bestimmungen. Zum anderen wird jeweils ein anderer Spielerkreis angesprochen. Das terrestrische und das virtuelle Spiel sind somit nicht vergleichbar und stehen nicht miteinander im Wettbewerb, sodass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht verletzt ist.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob das virtuelle Onlinespiel das terrestrische Automatenspiel simuliert oder nachbilden soll, sondern darauf, ob eine Gleichartigkeit auch tatsächlich bejaht werden kann. Das ist indes nicht der Fall. Online-Angebote unterscheiden sich von terrestrischen Angeboten dadurch, dass virtuelle Spiele günstiger zu betreiben sind, stets und ortsungebunden verfügbar sind und einen größeren Kundenkreis ansprechen. Damit sind sie auch hinsichtlich der Spielsucht anders einzuschätzen als terrestrische Angebote.

Diese gesetzgeberischen Erwägungen für die Ungleichbehandlung lassen einen Verstoß gegen das Unionsrecht nicht erkennen. Der Gesetzgeber ist von zutreffenden unionsrechtlichen Maßstäben ausgegangen und hat die aus seiner Sicht bestehenden Unterschiede, die die Leistungen aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers nicht gleichartig erscheinen lassen, dargelegt.

Das Unionsrecht sieht vor, dass auf elektronischem Weg erbrachte Glücksspielumsätze und terrestrische Glücksspielumsätze vielfach unterschiedlich besteuert werden. Sogar Online-Umsätze desselben Leistungserbringers sind je nach Leistungsempfänger zu einem anderen Steuersatz umsatzsteuerpflichtig oder umsatzsteuerfrei. Diese Unterschiede schließen es aus, die dem Ursprungslandprinzip unterliegenden Umsätze der A und die dem Bestimmungslandprinzip unterliegenden Umsätze der Erbringer von Online-Glücksspielen mehrwertsteuerrechtlich gleich behandeln zu müssen. Denn es handelt sich um nicht vergleichbare Leistungen, die völlig unterschiedlichen mehrwertsteuerrechtlichen Regelungen unterliegen.

3.    Eigentumswechsel an einer vermieteten Immobilie und Umsatzsteuer

Wird eine vermietete Immobilie erworben, tritt der Erwerber an die Stelle des bisherigen Vermieters. Fraglich sind die Anforderungen an eine Rechnung i. S. d. § 14c Abs. 1 UStG bei Wechsel des Eigentums an einer vom bisherigen Eigentümer teilweise unberechtigt unter Umsatzsteuerausweis vermieteten Immobilie.

Hintergrund

Die Klägerin erwarb ein vermietetes Bürogebäude. In den vom Voreigentümer abgeschlossenen von der Klägerin fortgeführten Mietverträgen mit einer Klinik und einer Physiopraxis findet sich der Zusatz "zzgl. 19 % Mehrwertsteuer" und ein ausgewiesener entsprechender Betrag. Die Klägerin behandelte die vereinnahmten Bruttomieten in ihrer Umsatzsteuererklärung 2013 als umsatzsteuerfrei. Bei der nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG umsatzsteuerfreien Vermietung an die selbst umsatzsteuerfreie Umsätze ausführende Klinik und Physiopraxis war eine Option der Klägerin zur Steuerpflicht gem. § 9 Abs. 2 UStG nicht möglich.

Nach Auffassung des Finanzamts wurde jedoch in den Altmietverträgen und in den neu abgeschlossenen Mietverträgen Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen. Insoweit schulde die Klägerin die zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer gem. § 14c Abs. 1 UStG. Dem widersprach die Klägerin, denn in den Zahlungen von den Mietern war der Leistungszeitraum nicht angegeben. Auch würden in den Mietverträgen einige nach § 14 Abs. 4 UStG notwendige Rechnungsangaben fehlen (Steuernummer des Vermieters, fortlaufende Rechnungsnummer, Nettoentgelt, Steuersatz). Eine Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens i. S. v. § 14c UStG sei zudem ausgeschlossen, weil den betroffenen Mietern als medizinische Nutzer kein Vorsteuerabzug zustehe.

Entscheidung

Nach Auffassung des Finanzgerichts schuldet die Klägerin vorliegend zurecht nach § 14c Abs. 1 UStG die zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer. Eine Option zur Steuerpflicht war nicht zulässig, weil die Mieter die Mieträume nicht ausschließlich für Umsätze verwendeten, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Im Streitfall waren die Umsätze der Klinik und Physiopraxis gem. § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei. Nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG schuldet ein Unternehmer, der – wie im Streitfall – in einer Rechnung für eine Leistung einen höheren Steuerbetrag ausweist als er nach dem Umsatzsteuergesetz schuldet, auch den Mehrbetrag.

Bei Dauerschuldverhältnissen besteht eine Rechnung i. d. R. aus dem Miet- oder Pachtvertrag und den monatlichen Kontoauszügen. Die Rechnungsbestandteile "Leistungsgegenstand, Leistender, Leistungsempfänger, monatliches Entgelt, Umsatzsteuerbetrag/Satz" ergeben sich meist aus dem Mietvertrag und der konkrete Leistungszeitraum aus dem jeweiligen Kontoauszug.

Der Rechnungsbegriff nach § 14 Abs. 4 UStG und § 14c UStG ist unterschiedlich, denn eine Rechnung i. S. v. § 14c UStG ist ein Dokument, das wegen des Ausweises der Umsatzsteuer abstrakt die Gefahr begründet, vom Empfänger oder einem Dritten zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs verwendet zu werden. Beim Rechnungsbegriff des § 14c UStG müssen daher nicht alle Ordnungsmerkmale des Rechnungsbegriffs nach § 14 Abs. 4 UStG erfüllt sein. Insoweit reicht es aus, wenn – wie im Streitfall – die Mietverträge mit der Klinik und Physiopraxis den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ausweisen. Bei Mietzahlungen in der Höhe und zum Zeitpunkt der vertraglichen Fälligkeiten ohne ausdrückliche (andere) Zahlungsbestimmung ergibt sich der Zeitpunkt der Leistung (Miete) durch die Zuordnung der Zahlung zu der Periode, in der sie geleistet wird.

Der Erwerber tritt dabei an die Stelle des Vermieters und in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein, wenn der vermietete Raum nach der Überlassung an den Mieter vom Vermieter an einen Dritten übertragen wird. Die nicht von ihr selbst abgeschlossenen Mietverträge zusammen mit den weiteren Unterlagen (Kontoauszüge) führen dazu, dass sich die Klägerin eine Rechnung als Leistende i. S. v. § 14c Abs. 1 UStG zurechnen lassen muss. Da nach dem Eigentumswechsel die Mieten auf dem Bankkonto der Klägerin eingegangen sind, haben die Mieter von dem Vermieterwechsel erfahren. Hierdurch stellt der jeweilige Zahlungsbeleg gleichzeitig eine Änderung der Bezeichnung des Leistenden aus dem Mietvertrag und eine Änderung des Rechnungsausstellers dar.

In der Zusammenschau stehen damit mit den Mietverträgen und den mit den Zahlungsbelegen verbundenen Anpassungen den Mietern Dokumente mit Ausweis der Umsatzsteuer zur Verfügung, die abstrakt die Gefahr der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs durch die Mieter begründen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Mieter wegen ihrer ausschließlich umsatzsteuerfreien Umsätze die Vorsteuer nicht geltend machen können. Es kommt nur auf eine abstrakte Gefährdungslage an, die im Streitfall gegeben ist.

4.    Gewerbesteuerliche Folgen der Überlassung von Gewerberäumen

Die Überlassung von relativ unwesentlichem Grundbesitz an eine nur geringfügig beteiligte Genossin zur gewerblichen Nutzung steht auch dann der erweiterten Kürzung bei der Genossenschaft entgegen, wenn der von der Genossin erzielte Gewerbeertrag den gewerbesteuerlichen Freibetrag nicht erreicht.

Hintergrund

Die Genossenschaft mit rund 6.000 Mitgliedern war in 2014 bis 2016 ausschließlich mit der Vermietung von Grundstücken befasst (Wohnungen und Gewerbeflächen). Eine Mieterin (M) hatte seit 2012 von der Genossenschaft Räume gemietet, in denen sie ein Einzelhandelsgeschäft betrieb. Ihre Gewinne erreichten nicht den gewerbesteuerlichen Freibetrag von 24.500 EUR.

Im Jahr 2014 wollte M von der Genossenschaft eine Wohnung mieten. Da die Genossenschaft nach ihrer Satzung Wohnungen bevorzugt an ihre Mitglieder vermietete, erwarb M im Jahr 2014 einen Geschäftsanteil und die Genossenschaft überließ ihr ab 2015 eine Wohnung. Der Anteil der M an der Genossenschaft betrug am 31.12.2016 lediglich 0,0168 %. Außer M waren keine weiteren gewerblichen Mieter als Genossen beteiligt.

Das Finanzamt lehnte den Antrag der Genossenschaft auf Gewährung der erweiterten Kürzung mit der Begründung ab, das an M vermietete Ladenlokal diene dem Geschäftsbetrieb der M.
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Es war der Auffassung, einer Genossenschaft, die neben Wohnungen auch gewerblich genutzte Flächen vermiete, stehe die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags auch dann zu, wenn der Grundbesitz zu einem Teil dem Gewerbebetrieb einer Genossin diene, die zu weniger als 1 % an der Genossenschaft beteiligt sei, dieser Beteiligung nur geringe Bedeutung zukomme und die Genossin selbst wegen niedriger Einkünfte keiner Gewerbesteuerbelastung ausgesetzt sei. § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG bedürfe bei einer derartigen Bagatellbeteiligung einer Einschränkung.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof widerspricht dem Finanzgericht. Das Finanzgerichtsurteil wurde aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Genossenschaft steht die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 i. V. m. Satz 5 GewStG nicht zu.
Die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung ist ausgeschlossen, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient. Diese Ausnahme von der Begünstigung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG beruht darauf, dass in der Überlassung von Grundbesitz an einen Gesellschafter oder Genossen zu dessen gewerblichen Zwecken keine reine Vermögensverwaltung mehr gesehen werden kann. Denn bei einer Nutzung des Grundstücks im Gewerbebetrieb des Gesellschafters oder Genossen (ohne Zwischenschaltung eines weiteren Rechtsträgers) fließen die Grundstückserträge in den Gewerbeertrag ein und würden damit der GewSt unterliegen. An dieser Einschränkung scheitert die erweiterte Kürzung für die Genossenschaft. Denn M hatte Grundbesitz der Genossenschaft zur Erzielung gewerblicher Einkünfte aus ihrem Einzelhandelsgeschäft gemietet. Der Grundbesitz diente ihrem Gewerbebetrieb i. S. v. § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG.

Der Versagung der erweiterten Kürzung steht nicht entgegen, dass die betragsmäßige Beteiligung und der Stimmenanteil der M äußerst geringfügig sind. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG ("wenn") ist der Umfang der Beteiligung an der Grundstücksgesellschaft und auch die Größe des vermieteten Grundstücksteils unerheblich.

§ 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG ist zwar im Wege der teleologischen Reduktion dahin einzuschränken, dass dem Grundstücksunternehmen die erweiterte Kürzung auch dann zusteht, wenn das überlassene Grundstück dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient, der mit den gesamten (positiven wie negativen) Einkünften von der Gewerbesteuer befreit ist. Diese Ausnahme kann aber nicht auf den hier vorliegenden Fall erstreckt werden, dass der mietende Gewerbebetrieb keine Gewerbesteuer schuldet, weil der Gewerbeertrag unter 24.500 EUR liegt. Denn die Ausnahme wäre dann von den zufällig schwankenden Gewinnen des mietenden Unternehmens abhängig und Änderungen der Gewerbesteuer-Messbescheide des mietenden Unternehmens würden zu kaum handhabbaren Folgeänderungen bei dem Grundstücksunternehmen führen.

5.   Grundstückshändler: Wann beginnt die Gewerbesteuerpflicht?

Die sachliche Gewerbesteuerpflicht eines gewerblichen Grundstückshändlers beginnt frühestens mit dem Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags über eine erste Immobilie. Denn erst hierdurch wird er in die Lage versetzt, seine Leistung am Markt anzubieten.

Hintergrund

Die X-KG wurde im Januar 2011 gegründet. Gesellschaftszweck war Erwerb, Verwaltung und Veräußerung von Immobilien. Mit notariellem Kaufvertrag vom Juni 2012 (somit im Wirtschaftsjahr 2012/2013) erwarb X mehrere Grundstücke, die sie im Jahr 2014 wieder veräußerte. Den Grundstückserwerb hatte X im Wirtschaftsjahr 2011/2012 vorbereitet. Im März 2012 hatte das beauftragte Maklerbüro Immobilien-Exposés zur Verfügung gestellt, im April 2012 fand eine Besichtigung der Grundstücke statt und im Mai 2012 wurde X der Notarvertragsentwurf übersandt.

X erklärte für 2011/2012 einen Verlust aus Gewerbebetrieb von rund 1 Mio. EUR aufgrund von Verkaufsprovisionen und Vertriebskosten.

Den Antrag auf Feststellung des vortragsfähigen Verlusts nach § 10a GewStG auf den 31.12.2012 lehnte das Finanzamt mit der Begründung ab, bloße Vorbereitungshandlungen (hier: Akquisitionstätigkeiten) reichten für die Gewerbesteuer-Pflicht nicht aus.

Das Finanzgericht bejahte dagegen die Gewerbesteuer-Pflicht und gab der Klage der X statt. Die von X im Mai 2012 (d. h. im Wirtschaftsjahr 2011/2012) unternommenen Tätigkeiten seien objektiv erkennbar auf die Vorbereitung der Grundstücksgeschäfte gerichtet gewesen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof widerspricht der Auffassung des Finanzgerichts. Der Beginn des Gewerbebetriebs liegt mit dem ersten Grundstückserwerb (Juni 2012) erst im Wirtschaftsjahr 2012/2013. X hat ihre werbende Tätigkeit nicht bereits im vorhergehenden Wirtschaftsjahr aufgenommen.

Maßgebend für den Beginn des Gewerbebetriebs i. S. d. § 2 Abs. 1 GewStG ist der Beginn der werbenden Tätigkeit. Davon abzugrenzen sind die bloßen, gewerbesteuerrechtlich noch unbeachtlichen Vorbereitungshandlungen. Entscheidend ist, wann die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tatsächlich vorliegt und sich das Unternehmen daran mit eigenen gewerblichen Leistungen beteiligt.

Bei einem Handelsunternehmen liegt eine werbende Tätigkeit vor, wenn der Unternehmer seine Leistungen am Markt anbietet. Das ist z. B. mit der Öffnung des Ladenlokals und dem Beginn des Verkaufs von Waren der Fall. Es ist nicht auf einen (irgendwie gearteten) Beginn des Erwerbsvorgangs, sondern auf dessen Ende, das durch den Kaufvertragsschluss markiert wird, abzustellen. Danach stellt der Vertragsschluss den frühestmöglichen Zeitpunkt für den Beginn der werbenden Tätigkeit dar.

Hiervon ausgehend nimmt ein gewerblicher Grundstückshändler seine werbende Tätigkeit frühestens mit der Anschaffung der ersten Immobilie, d. h. mit dem (wirksamen) Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrags, auf. Denn erst hierdurch wird er in die Lage versetzt, seine Leistung am Markt anzubieten. Entscheidend ist nicht der Beginn des Erwerbsprozesses, sondern dessen Ende, das durch den Abschluss des Kaufvertrags markiert wird. Die Vorbereitung eines Kaufvertrags genügt nicht. Denn durch die Beauftragung eines Maklers, die Besichtigung eines Kaufobjekts oder ähnliche Tätigkeiten ist der Grundstückshändler noch nicht in der Lage, seine Leistung am Markt anzubieten.

Die verzinsliche Anlage des eingezahlten Genussrechtskapitals stellt keine eigenständige werbende Tätigkeit dar, die als bereits im Wirtschaftsjahr 2011/2012 aufgenommene vermögensverwaltende Tätigkeit anzusehen ist. Die Verwaltung des Genussrechtskapitals diente nicht einem eigenständigen originären Gesellschaftszweck.

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und wies die Klage ab. X hat im Wirtschaftsjahr 2011/2012 lediglich den Kaufvertrag vorbereitende Maßnahmen unternommen. Die erste Immobilie hat sie erst mit Vertrag vom Juni 2012 im nachfolgenden Wirtschaftsjahr erworben. Damit hatte X im Wirtschaftsjahr 2011/2012 noch keine werbende Tätigkeit aufgenommen, so dass kein vortragsfähiger Gewerbeverlust nach § 10a GewStG festzustellen war.
 

6.    Kann für Outplacement-Leistungen Vorsteuerabzug geltend gemacht werden?

Bezieht der Unternehmer für einen von ihm angestrebten Personalabbau Leistungen von sog. Outplacement-Unternehmen, ist der Unternehmer aufgrund eines vorrangigen Unternehmensinteresses zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Hintergrund

Die X-AG beabsichtigte in den Jahren 2009 bis 2011 einen erheblichen Personalabbau. Da die Mitarbeiter überwiegend unkündbar und unbefristet beschäftigt waren, konnte der Personalabbau nur auf freiwilliger Basis unter Aufhebung der Arbeitsverträge erfolgen.

Die AG beauftragte (ebenso wie ihre Organgesellschaften) sog. Outplacement-Unternehmen, die sie beim Personalabbau unterstützten. Diese Unternehmen sollten Mitarbeiter individuell betreuen, fachlich beraten und bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz unterstützen, damit sie freiwillig ihre bisherigen Beschäftigungsverhältnisse aufgaben. Das umfasste u. a. eine Basisberatung, eine Perspektiv- und Motivationsberatung sowie Vermittlungstätigkeiten zur Begründung eines neuen Beschäftigungsverhältnisses. Die AG machte aus den Leistungen der Outplacement-Unternehmen den Vorsteuerabzug geltend.

Das Finanzamt anerkannte den Vorsteuerabzug nur insoweit, als er auf die allgemeine Beratung und auf sog. Erfolgspauschalen entfiel. Es versagte den Vorsteuerabzug aus den personenbezogenen Beratungsleistungen, da diese individuell auf die künftige berufliche Entwicklung der Beschäftigten, die mental gestärkt werden sollten, zugeschnitten gewesen seien. Damit sei eine psychologische Betreuung und Hilfestellung geleistet worden.

Das Finanzgericht gab der dagegen erhobenen Klage statt. Der Vorsteuerabzug rechtfertige sich aus dem überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der AG (und ihrer Organgesellschaften). Die AG habe versuchen müssen, die Beschäftigten durch die Outplacement-Beratung zu qualifizieren, damit sie anderweitig auf dem Arbeitsmarkt untergebracht werden konnten. Dieses eigenbetriebliche Interesse habe die Vorteile der Beschäftigten aus den Beratungsleistungen überwogen.

Mit der Revision wandte das Finanzamt ein, nicht nur bei der AG, sondern auch bei den Beschäftigten habe ein massives Eigeninteresse an der Beratung bestanden.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung des Finanzgerichts und wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück. Die AG ist aufgrund ihres vorrangigen Unternehmensinteresses zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Die Rechtsprechung bejaht ein vorrangiges Unternehmensinteresse z. B. in folgenden Fällen: Übernahme der Beförderung des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, wenn dies die wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens erfordert; Abgabe von Mahlzeiten, wenn der persönliche Vorteil der Arbeitnehmer gegenüber den Bedürfnissen des Unternehmens nur untergeordnet erscheint; Übernahme von Maklerkosten, wenn der private Bedarf der Arbeitnehmer hinter dem unternehmerischen Interesse, erfahrene Mitarbeiter umzusiedeln, zurücktritt.
Ausgehend von diesen Fällen überwiegt das Interesse der AG am Personalabbau den Vorteil der Beschäftigten an der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses. Das Interesse der Beschäftigten ergab sich nicht aus deren Wunsch nach einem Arbeitgeberwechsel, sondern aus dem unternehmerischen Ziel der AG, unkündbar Beschäftigte davon zu überzeugen, einer Auflösung des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses zuzustimmen. Der ausschließliche Entstehungsgrund für die bezogenen Beratungsleistungen ergab sich aus dem unternehmerischen Ziel des Personalabbaus, nicht aus einem eigenständigen Zuwendungswillen gegenüber den Beschäftigten
 

7.    Ortskundeprüfungen für angehende Taxifahrer sind umsatzsteuerfrei

Ortskundeprüfungen für angehende Taxifahrer sind bei richtlinienkonformer Auslegung des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG steuerfrei, da sie als Schulungsmaßnahme mit direktem Bezug zu einem Beruf anzusehen sind.

Hintergrund

Der eingetragene Verein V (ein nicht gemeinnütziger Berufsverband) führte im Jahr 2012 (Streitjahr) die Ortskundeprüfungen durch. Deren Bestehen hatten die angehenden Taxifahrer der für die Fahrerlaubnis zuständigen Behörde nachzuweisen. Der Bewerber hatte für die Durchführung der Prüfung eine Gebühr an die mit der Prüfung betrauten Organisationen, u. a. an den V, zu entrichten. Der prüfende Verband übernahm lediglich die Durchführung der Prüfungen, nicht auch die dieser Prüfung vorangehende Ausbildung.

V erklärte die an ihn entrichteten Gebühren als Entgelt für steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG. Das Finanzamt ging dagegen von der Steuerpflicht aus.

Das Finanzgericht folgte der Auffassung des Finanzamts und wies die Klage ab. Denn V erbringe weder Unterrichts- noch Schulungsmaßnahmen. Die Ortskundeprüfungen seien auch nicht als Nebenleistungen mit Schulungsmaßnahmen verbunden.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof widerspricht dem Finanzgericht. Die Ortskundeprüfung stellt den Schlusspunkt und notwendigen Bestandteil einer Schulungsmaßnahme i. S. v. § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG dar. Das anders lautende Finanzgerichtsurteil und der entsprechenden Umsatzsteuer-Änderungsbescheid wurden aufgehoben.

Die Durchführung der Ortskundeprüfungen ist wegen des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Prüfungsabnahme und der hierfür zu zahlenden Gebühr aufgrund des zwischen dem V und dem Prüfling bestehenden Rechtsverhältnisses steuerbar. Der Steuerbarkeit steht nicht entgegen, dass eine Leistung im öffentlichen oder allgemeinen Interesse liegt. Entscheidend ist vielmehr, dass ein individueller Leistungsempfänger vorhanden ist, der aus der Leistung einen Vorteil zieht, der Gegenstand eines Leistungsaustauschs sein kann.

Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG ist richtlinienkonform zu verstehen. Danach muss es sich bei den in § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG genannten Vorträgen, Kursen und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art um Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung oder berufliche Umschulung i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL handeln. Nach Art. 44 Satz 1 MwSt-DVO umfassen die Dienstleistungen der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche Schulungsmaßnahme, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dient. Die Dauer der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung ist unerheblich.

Die Ortskundeprüfungen, deren Bestehen Voraussetzung für den Erwerb der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung mit Taxen war, sind eine Schulungsmaßnahme mit direktem Bezug zu einem Beruf i. S. v. Art. 44 MwSt-DVO. Denn sie stellten den Schlusspunkt und notwendigen Bestandteil einer Schulungsmaßnahme zum Beruf des Taxifahrers dar. Wäre die Steuerbefreiung für den notwendigen Schlusspunkt einer erfolgreichen Schulungsmaßnahme zu versagen, nähme dies der Steuerbefreiung für die Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung ihre Wirkung. Es widerspräche dem Grundsatz der Neutralität und würde die mit dieser Steuerbefreiung bezweckte Förderung bestimmter Tätigkeiten beschränken, wenn die Steuerbefreiung der Prüfungsleistung davon abhinge, dass ein und derselbe Anbieter die Schulungsmaßnahme und die Prüfung durchführen muss.

Hiervon ausgehend sind die Umsätze des V aus den Prüfungsleistungen steuerbefreit. Auf die Frage, ob die Ortskundeprüfung als eng mit einer Schulungsmaßnahme verbundene Leistung anzusehen sein könnte, kommt es danach nicht an. V erfüllt mit dem Prüfungsausschuss auch die unternehmerbezogenen Voraussetzungen des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG. Seine Leistungen dienen dem Zweck eines Berufsverbands.
 

 

8.    Taxiunternehmen: Bareinnahmen sind auch buchhalterisch ordnungsgemäß zu erfassen

Alle Taxiunternehmer müssen zur Erfüllung ihrer Buchführungspflicht die Schichtzettel physisch nach den Vorgaben des § 147 Abs. 1 AO aufbewahren, und zwar ungeachtet der Art der Gewinnermittlung. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung wirkt unmittelbar auch hinsichtlich der Besteuerung nach dem EStG.

Hintergrund

Streitig sind die infolge einer Betriebsprüfung und Steuerfahndung vom Finanzamt vorgenommenen Hinzuschätzungen von Erlösen bei dem vom Antragsteller betriebenen Taxi- und Mietwagenunternehmen. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung bestanden im Jahr 2008 und in den Folgejahren formelle Buchführungsmängel in den Einnahmeursprungsaufzeichnungen des Antragstellers. Dieser habe danach weder Schichtzettel vorgelegt noch nach Auszählung der Tageskasse die Tageseinnahmen täglich in ein Kassenbuch übertragen. Er habe stattdessen seine Barerlöse monatlich in einer Excel-Tabelle erfasst, die ihm als Kassenbuch diente. Weitere Abrechnungen oder Fahrtenbücher habe er ebenfalls nicht vorgelegt.

Im Rahmen einer Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume seien für die Jahre 2012 und 2013 unvollständige Tagesaufzeichnungen der Fahrer des Taxiverkehrs aufgefunden worden. Ein Abgleich dieser aufgezeichneten Barerlöse mit den vom Antragsteller gebuchten Bareinnahmen ergaben Mehrerlöse von jeweils rund 80.000 EUR für die Jahre 2012 und 2013. Diese Buchführungsmängel veranlassten die Prüferin zu einer Taxikalkulation und entsprechenden Erlöshinzuschätzungen von insgesamt 625.378 EUR für die Jahre 2008 bis 2013.

Nach der erfolglosen Durchführung des Einspruchsverfahrens hat der Antragsteller Klage beim Finanzgericht erhoben und die Aussetzung der Vollziehung der streitgegenständlichen Bescheide beantragt.

Entscheidung

Das Finanzgericht hat nach summarischer Prüfung im Aussetzungsverfahren die Schätzungsbefugnis des Finanzamts dem Grunde nach bejaht, weil der Antragsteller sowohl seine Aufbewahrungspflichten als auch die Aufzeichnungspflichten verletzt habe.

Taxiunternehmer müssten ihre Bareinnahmen jeweils einzeln aufzeichnen. Aufgrund der branchenspezifischen Besonderheiten des Taxigewerbes erfüllten die Schichtzettel in Verbindung mit den Angaben, die sich aus dem Kilometerzähler und dem Taxameter des einzelnen Taxis ablesen ließen, die sich aus der Einzelaufzeichnungspflicht ergebenden Mindestanforderungen.

Da der Antragsteller weder seine Schichtzettel aufbewahrt noch deren Inhalt täglich unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in ein Kassenbuch übertragen habe, sei die Buchhaltung formell nicht ordnungsgemäß. Soweit der Antragsteller seine Einnahmen in Excel erfasst habe, genüge dies offensichtlich nicht den Anforderungen des § 147 Abs. 1 AO.

9.   Wann ein Gutachter die Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers absetzen kann

Die Aufwendungen eines psychologischen Gutachters für sein häusliches Arbeitszimmer können als Betriebsausgaben abziehbar sein, wenn dieses den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit darstellt. Entsprechend können dann die hierauf entfallenden Aufwendungen ohne betragsmäßige Begrenzung als Betriebsausgaben abziehbar sein.

Hintergrund

Der Steuerpflichtige ist als selbstständiger psychologischer Gutachter tätig. Im Streitjahr 2020 machte er Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer i. H. v. 2.400 EUR als Betriebsausgaben geltend, indem er sein häusliches Arbeitszimmer als Mittelpunkt seiner Tätigkeit ansah. Das Finanzamt teilte diese Auffassung jedoch nicht und erkannte die Aufwendungen lediglich i. H. v. 1.250 EUR an. Den qualitativen Schwerpunkt der Arbeit sah das Finanzamt in den für die Begutachtung unerlässlichen Explorationen der zu begutachtenden Personen. Nach erfolglosem Einspruch legte der Steuerpflichtige Klage ein.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klage statt. Der für den vollständigen Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer erforderliche Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung bestimmt sich vorrangig nach dem qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit. Diesen sieht das FG im Arbeitszimmer des Steuerpflichtigen liegend. Denn Kern seiner Gutachtertätigkeit ist es, unter Ermittlung der erforderlichen Tatsachengrundlage eine Prognoseentscheidung zu treffen. Alleiniger Schwerpunkt dieser Tätigkeit sind die im Arbeitszimmer ausgeübten Tätigkeiten der Auswertung der Akten und der Explorationen und die darauf aufbauenden, für das Treffen und die Begründung der Prognoseentscheidung erforderlichen Recherche-, Rechen-, Bewertungs- und Schreibarbeiten.

Demgegenüber stellen die Explorationen selbst keinen weiteren wesentlichen Teil der Tätigkeit des Steuerpflichtigen dar. Sie sind zwar wichtige Bausteine für die Prognoseentscheidungen, werden aber wegen der freiwilligen Teilnahme der Probanden nicht immer von den Auftraggebern verlangt und sind auch nicht in jedem Fall erforderlich. Alternativ zur Exploration gibt es auch andere Analyseinstrumente, die der Steuerpflichtige in einem erheblichen Teil der Gutachten verwandt hatte. Zudem ist die Durchführung der Explorationen weitgehend standardisiert.

10.   Zahlreiche Verkäufe über ebay: Differenzbesteuerung auch bei fehlenden Aufzeichnungen

Umfangreiche Verkäufe über die Internetplattform "ebay" begründen eine unternehmerische Tätigkeit. Ein Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten führt nicht grundsätzlich zur Versagung der Differenzbesteuerung.

Hintergrund

Die X erwarb Gegenstände aus Haushaltsauflösungen und bot sie auf der Auktions-Plattform "ebay" in Form von Versteigerungen zum Verkauf an. In den Jahren 2009 bis 2013 erzielte sie aus ca. 3.000 Auktionen Einnahmen von ca. 370.000 EUR.

Das Finanzamt erließ entsprechende Einkommensteuer- und Gewerbesteuer-Messbescheide, in denen es die Betriebsausgaben und Vorsteuern i. H. v. 30 % der Einnahmen schätzte. In den Umsatzsteuer-Bescheiden setzte es Umsatzsteuer von 19 % auf die festgestellten (Brutto-)Einnahmen fest. Vorsteuerbeträge erkannte das Finanzamt nicht an.

Das Finanzgericht gab der Klage teilweise statt, indem es die Betriebsausgaben i. H. v. 60 % des Nettoumsatzes berücksichtigte.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Das Finanzgericht hat fälschlich die vom Finanzamt vorgenommene Festsetzung der Umsatzsteuer auf die Bruttoeinnahmen bestätigt. Außerdem ist die Sache im Hinblick auf die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG nicht spruchreif.

Bemessungsgrundlage ist nach § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG das Entgelt. Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, abzüglich der Umsatzsteuer. Deshalb hätte die festzusetzende Umsatzsteuer vom Finanzamt aus den Bruttoeinnahmen herausgerechnet werden müssen. Das wird das Finanzgericht bei seiner erneuten Entscheidung berücksichtigen müssen.

Bei den Verkäufen der X handelt es sich um eine nachhaltige Tätigkeit. Neben dem Umfang der Verkäufe ist auch zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit eine Betriebsorganisation erforderte. X musste Verpackungsmaterial kaufen, Waren verpacken, Porto zahlen und digitale Bilder der angebotenen Gegenstände fertigen. Es handelt sich um eine intensive und langfristige Verkaufstätigkeit unter Nutzung bewährter Vertriebsmaßnahmen. Auf das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht kommt es für die Umsatzsteuer nicht an.
X ist Wiederverkäuferin i. S. d. § 25a Abs. 1 Nr. 1 UStG. Da sie die weiterveräußerten Gegenstände bei Haushaltsauflösungen erworben hat, kann von einem Erwerb, für den keine Umsatzsteuer geschuldet wurde, ausgegangen werden.

Die Einhaltung der Aufzeichnungspflichten nach § 25a Abs. 6 Satz 1 UStG gehört nicht zu den materiellen Voraussetzungen der Differenzbesteuerung. Ein Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten führt daher grundsätzlich nicht zur Versagung der Differenzbesteuerung, sondern zur Schätzung (ggf. zu Lasten des Wiederverkäufers).

Unionsrechtlich ergibt sich die Schätzung zum einen daraus, dass eine Pflicht zu getrennten Aufzeichnungen nach Art. 324 MwStSystRL nur dann besteht, wenn die Differenzbesteuerung neben der Regelbesteuerung angewendet wird. Zum anderen hat der EuGH zwar entschieden, dass sich die Bemessungsgrundlage für die Differenzbesteuerung aus Aufzeichnungen ergeben muss, die die Prüfung sämtlicher Voraussetzungen der Differenzbesteuerung ermöglichen. Sind aber die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung unstreitig gegeben, anerkennt der Bundesfinanzhof einen Ausnahmefall, der es rechtfertigt, die Differenzbesteuerung nicht wegen des Fehlens von Aufzeichnungen zu versagen. Es ist dann vielmehr zu prüfen, ob die Einkaufspreise (ggf. mit einem Sicherheitsabschlag zu Lasten des Wiederverkäufers) geschätzt werden können.

Der Fall wurde an das Finanzgericht zurückverwiesen, zum einen, um die Bruttoeinnahmen in Entgelt und Umsatzsteuer aufzuteilen, und zum anderen, um die Feststellungen zur Differenzbesteuerung nachzuholen.

Soweit die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG nicht in Betracht kommen sollte, wird das Finanzgericht noch Feststellungen zum Vorsteuerabzug und zum Steuersatz nachholen müssen. Da X die verkauften Gegenstände aus Haushaltsauflösungen erworben hat, dürfte es sich um Erwerbe von Nichtunternehmern handeln, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen. Das Finanzgericht wird ferner zu prüfen haben, ob auf einzelne Umsätze der ermäßigte Steuersatz anwendbar ist.

11.   Zum Betrieb einer Photovoltaikanlage durch vermögensverwaltende GbR

Verluste aus einer gewerblichen Tätigkeit stehen bei Überschreiten der Bagatellgrenze der Umqualifizierung der im Übrigen vermögensverwaltenden Tätigkeit einer GbR nicht entgegen.

Hintergrund

Die GbR errichtete auf einem von ihr vermieteten Objekt eine Photovoltaikanlage, aus der sie – ebenso wie aus den Vermietungen – Verluste erwirtschaftete.

Für 2012 reichte die GbR 2 Einkünfteermittlungen ein, eine für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und eine für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Abweichend davon stellte das Finanzamt ausschließlich gewerbliche Einkünfte fest. Dem folgte das Finanzgericht mit dem Hinweis auf die "Abfärbewirkung" des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Mit dem Betrieb der Photovoltaikanlage habe die GbR eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt, die auf die vermögensverwaltende Tätigkeit "abgefärbt" habe.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision zurück. Die vermögensverwaltende Tätigkeit der GbR ist trotz des im gewerblichen Bereich erzielten Verlusts im Wege der Abfärbung insgesamt als gewerbliche zu qualifizieren. Da die Geringfügigkeitsgrenze überschritten ist, bleibt es bei der seitwärts abfärbenden Wirkung.

Der Streitfall beurteilt sich nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 1 und Satz 2 Alt. 1 EStG n. F. Mit der Neuregelung durch das WElektroMobFördG (v. 12.12.2019, BStBl 2020 I S. 17, Geltung ab 18.12.2019) wurde § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG um einen neuen Satz 2 ergänzt. Danach tritt die umqualifizierende Wirkung unabhängig davon ein, ob aus der Tätigkeit i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ein Gewinn oder Verlust erzielt wird. Mit dieser Regelung ist der Gesetzgeber der bisher vom Bundesfinanzhof vertretenen Rechtsauffassung entgegengetreten, nach der negative Einkünfte aus einer originär gewerblichen Tätigkeit nicht zur Umqualifizierung der vermögensverwaltenden Einkünfte einer GbR führen.

Die Neuregelung enthält keine Ausnahmen von der Abfärbewirkung. Demnach übte die GbR als eine "andere Personengesellschaft" i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 EStG zum einen eine vermögensverwaltende Tätigkeit und zum anderen mit dem Betrieb der Photovoltaikanlage eine originär gewerbliche Tätigkeit i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG aus. Da nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alt. 1 EStG n. F. ausdrücklich auch originär gewerbliche Verluste einer Abfärbung auf die übrige Tätigkeit nicht entgegenstehen, hat die GbR insgesamt eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt und damit insgesamt gewerbliche Einkünfte erzielt.

Die vom BFH für gemischt tätige freiberufliche Personengesellschaften entwickelte Geringfügigkeitsgrenze ist auch bei Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 1 EStG n. F. zu beachten. Demnach ist eine die umqualifizierende Wirkung nicht auslösende gewerbliche Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß gegeben, wenn die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse 3 % der Gesamtnettoumsätze (relative Grenze) der Personengesellschaft und zugleich den Höchstbetrag von 24.500 EUR im Feststellungszeitraum (absolute Grenze) nicht übersteigen. Die bisherige Geringfügigkeitsgrenze mit ihrer absoluten und relativen Umsatzgrenze ist sowohl bei Gewinnen als auch bei Verlusten zu beachten. Wird diese Bagatellgrenze überschritten, färben gewerbliche Gewinne und gewerbliche Verluste gleichermaßen ab.

Für gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften gilt keine höhere Bagatellgrenze. Eine modifizierte Bagatellgrenze für gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften widerspräche dem Sinn und Zweck des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, die Einkünfteermittlung zu vereinfachen. Unterschiedliche Bagatellgrenzen würden zu weiteren Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Es ist auch nicht möglich, die abfärbende Wirkung erst nach einem längeren (mehrjährigen) Beobachtungszeitraum eintreten zu lassen. Das widerspräche ebenfalls dem Vereinfachungszweck.

Hiervon ausgehend bleibt es bei der seitwärts abfärbenden Wirkung. Die GbR hat aus der originär gewerblichen Tätigkeit Nettoumsätze von 8.472 EUR erzielt. Diese Umsätze machten 7,46 % der Gesamtnettoumsätze (113.484 EUR) aus. Sie blieben zwar unterhalb der absoluten Umsatzgrenze von 24.500 EUR, überschritten aber deutlich die relative Bagatellgrenze von 3 % der Gesamtnettoumsätze.

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1.    Ausfall eines Gesellschafterdarlehens bei Krise der GmbH: nachträgliche Anschaffungskosten?

Ist ein in der Krise der GmbH stehengelassenes Gesellschafterdarlehen als nachträgliche Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2a EStG zu berücksichtigen? Und wenn ja, mit welchem Wert? Das FG Berlin-Brandenburg beantwortet diese Fragen. Das letzte Wort liegt jedoch beim BFH.

Hintergrund

Der Kläger war Gesellschafter einer GmbH, für die er im Oktober 2004 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatte. Der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft war am 30.11.2005 eingestellt worden. In seiner Einkommensteuerveranlagung 2009 begehrte der Kläger die Berücksichtigung eines Auflösungsverlusts. Er machte geltend, dass er im Jahr 1997 ein Darlehen an die GmbH ausgereicht hatte, dessen Verlust mit dem Nennwert von 120.374 EUR als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt werden müsse. Im Klageverfahren erklärte er, dass es sich um ein in der Krise stehen gelassenes Darlehen gehandelt habe; nähere Angaben zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise bei der GmbH konnte er nicht mehr machen.

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied, dass der Verlust des Darlehens nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt werden konnte. Auch im Streitjahr 2009 waren – trotz der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG – die bisherigen Grundsätze zur Behandlung von nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG weiter anwendbar. Zu nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung führten nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten waren.

Für die Beurteilung, ob eine Finanzierungshilfe durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war, hat der Bundesfinanzhof darauf abgestellt, ob sie eigenkapitalersetzend war. Er hat dies bejaht, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute nur noch Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt, eine Bürgschaft zur Verfügung gestellt oder eine wirtschaftlich entsprechende andere Rechtshandlung vorgenommen hatte (sog. funktionelles Eigenkapital). Lagen diese Voraussetzungen nicht vor, hatte die Finanzierungshilfe (auch gesellschaftsrechtlich) nicht die Funktion von Eigenkapital und der Gesellschafter war insofern wie jeder Drittgläubiger zu behandeln (Fremdkapital).

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Wertminderungen des Rückzahlungsanspruchs aus einem der Gesellschaft gewährten Darlehen nur zu berücksichtigen, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Darlehen kapitalersetzend ist, wobei im Anschluss an die Rechtsprechung des BFH vier Fallgruppen unterschieden werden. Ein Darlehen ist danach insbesondere durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn es in der Krise eingeräumt wird. Der Darlehenshingabe in der Krise steht es gleich, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft das vor der Krise gewährte Darlehen stehen lässt, obwohl er es hätte abziehen können und angesichts der veränderten finanziellen Situation die Gefährdung der Rückzahlung absehbar war oder wenn das Darlehen von vornherein auf Krisenfinanzierung angelegt ist (krisenbestimmtes Darlehen). Von diesen Fallgruppen abzugrenzen ist das Finanzplandarlehen, das von vornherein in die Finanzplanung der Gesellschaft einbezogen ist.

Fiel der Gesellschafter mit einer von vornherein eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfe aus, führte dies zu nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe des Nennwerts des ausgefallenen Anspruchs. Im anderen Fall war nur der im Zeitpunkt des Eintritts der Krise beizulegende Wert zu berücksichtigen. Der bis zum Eintritt der Krise eingetretene Wertverlust fiel in der (steuerlich unbeachtlichen) privaten Vermögenssphäre an.

Ausgehend hiervon kam eine Anerkennung des begehrten Verlusts schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei dem vom Kläger gewährten Darlehen nach seinem eigenen Vortrag nicht um ein krisenbestimmtes, sondern ein in der Krise stehen gelassenes Darlehen gehandelt hatte und dieses – mangels näherer Angaben zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise der GmbH – bei Eintritt des Insolvenzfalls mit einem Teilwert von lediglich 0 EUR zu bewerten war.

2.   Doppelt ansässige Kapitalgesellschaft und gewerbesteuerrechtliche Kürzung von Gewinnausschüttungen

Für den Fall des inländischen Orts der Geschäftsleitung, der zu einer inländischen Gewerbesteuer führt, sind keine Anhaltspunkte erkennbar, weshalb das Gesetz doppelt ansässige Kapitalgesellschaften von der Anwendung der gewerbesteuerrechtlichen Schachtelprivilegien ausschließen sollte. Zu den inländischen Kapitalgesellschaften gehören deshalb auch Kapitalgesellschaften, die ihren statutarischen Sitz im Ausland und ihren Ort der Geschäftsleitung im Inland haben.

Hintergrund

Die X-GmbH hat Sitz und Geschäftsleitung in Deutschland. Ihr Unternehmensgegenstand ist die Verwaltung eigenen Vermögens.

Im Jahr 2009 war die X-GmbH zu 100 % an der der B-BVBA, einer Gesellschaft mit Sitz in Belgien, beteiligt. Die B-BVBA ist nach dem sog. Rechtstypenvergleich als Kapitalgesellschaft einzuordnen. Ihr Unternehmensgegenstand war das Halten und Verwalten von Beteiligungen. Ihr alleiniger Geschäftsführer wohnte im Inland.

Die B-BVBA war ihrerseits am Stammkapital einer mexikanischen Kapitalgesellschaft (M-CV) beteiligt, die in 2009 aus ihrem in 2008 erzielten Gewinn einen Anteil an die B-BVBA ausschüttete. Die B-BVBA schüttete diesen Betrag noch im Jahr 2009 ohne Abschlag weiter an die X-GmbH aus.

Das Finanzamt ermittelte den Gewerbeertrag und den vortragsfähigen Gewerbeverlust der X-GmbH antragsgemäß unter Hinzurechnung von 95 % der Gewinnausschüttung der B-BVBA. Auf dieser Grundlage setzte das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag für 2009 auf 0 EUR und den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2009 fest. Den Antrag der X-GmbH, diese Bescheide dahin zu ändern, dass die Hinzurechnung nach § 9 Nr. 7 GewStG wieder gekürzt wird, lehnte das Finanzamt ab.

Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage statt. Zwar seien die Voraussetzungen des § 9 Nr. 7 GewStG nicht erfüllt. Die Gewinnausschüttung der doppelt ansässigen B-BVBA erfülle jedoch die Voraussetzungen der Kürzung nach § 9 Nr. 2a GewStG. Eine inländische Kapitalgesellschaft im Sinne dieser Vorschrift liege auch dann vor, wenn sich (nur) der Ort der Geschäftsleitung im Inland befinde.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigte das Finanzgerichtsurteil und wies die Revision des Finanzamts zurück. Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG ist zu korrigieren und der vortragsfähige Verlust zu erhöhen. Denn die von der B-BVBA an die X-GmbH ausgeschütteten Gewinnanteile erfüllen die Voraussetzungen der Kürzung nach § 9 Nr. 2a GewStG.

Mit ihrem Sitz in Belgien und Ort der Geschäftsleitung in Deutschland ist die B-BVBA eine "doppelt ansässige" Gesellschaft. Die Einbeziehung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften als "inländische" in den Anwendungsbereich des § 9 Nr. 2a GewStG ist umstritten. Zum Teil wird vertreten, die Voraussetzung einer inländischen Kapitalgesellschaft sei zumindest bei den Gesellschaften zu bejahen, die - wie die B-BVBA - ihren statutarischen Sitz im Ausland und ihren Ort der Geschäftsleitung im Inland haben. Nach der Gegenmeinung erfordert § 9 Abs. 2a GewStG einen doppelten Inlandsbezug, d. h. Sitz und Ort der Geschäftsleitung müssen sich im Inland befinden.

Der Bundesfinanzhof hält die zuerst genannte Auffassung für zutreffend. Der Inlandsbezug ist auch bei einer Gesellschaft mit Sitz im Ausland gegeben, deren Geschäftsleitung sich im Inland befindet. Das ergibt sich aus der Systematik der gewerbesteuerrechtlichen Schachtelprivilegien. § 9 Nr. 2 GewStG erfasst ausdrücklich Gewinnanteile sämtlicher in- und ausländischer Personengesellschaften. Die Gewinnanteile von Kapitalgesellschaften sind dagegen zum einen in § 9 Nr. 2a GewStG und zum anderen in § 9 Nr. 7 GewStG geregelt. Da § 9 Nr. 7 GewStG ausdrücklich auf Kapitalgesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland beschränkt ist, muss im Umkehrschluss für § 9 Nr. 2a GewStG grundsätzlich ein einfacher Inlandsbezug ausreichen. Die Voraussetzung eines doppelten Inlandsbezugs hätte ausdrücklich geregelt werden müssen.

Zumindest für den Fall des inländischen Orts der Geschäftsleitung, der zu einer inländischen Gewerbesteuer führt, sind keine Anhaltspunkte erkennbar, weshalb das Gesetz doppelt ansässige Kapitalgesellschaften von der Anwendung der gewerbesteuerrechtlichen Schachtelprivilegien ausschließen sollte. Entscheidend ist letztlich der Zweck des gewerbesteuerrechtlichen Schachtelprivilegs, eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung sowohl auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft als auch auf Ebene ihres Anteilseigners zu vermeiden.

3.   Warum eine atypisch stille Gesellschaft schädlich für eine Organschaft ist

Wird neben einem Ergebnisabführungsvertrag auch noch eine atypisch stille Gesellschaft vereinbart, liegt keine körperschaftsteuerliche Organschaft vor.

Hintergrund

Eine KG war Alleingesellschafterin einer GmbH. Zwischen der KG und der GmbH wurde am 19.12.1991 ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen. Die GmbH verpflichtete sich darin ihren gesamten Gewinn an die KG abzuführen. Zudem wurde am 1.1.1992 zwischen der KG und der GmbH auch ein Vertrag über die Errichtung einer atypisch stillen Gesellschaft geschlossen, wonach sich die KG mit einer Einlage von 100.000 DM an dem Handelsgewerbe der GmbH als stille Gesellschafterin beteiligte. Die KG wurde dadurch mit 10 % am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven der GmbH beteiligt. Die atypisch stille Gesellschaft bestand bis zum 31.12.2012. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde die Anerkennung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft für die Jahre 2004 bis 2008 versagt. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Entscheidung

Das Finanzgericht kommt zur Entscheidung, dass die GmbH nicht ihren "ganzen Gewinn" i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG an ihre Alleingesellschafterin abgeführt hat. Angesichts dieses Erfordernisses kann keine körperschaftsteuerliche Organschaft bestehen, wenn neben dem Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag zusätzlich noch eine atypisch stille Gesellschaft mit der Alleingesellschafterin vereinbart wird. Die GmbH war damit verpflichtet, einen Teil ihres Gewinnes an die Alleingesellschafterin in ihrer Eigenschaft als stille Gesellschafterin zu entrichten. Mangels Organschaft sind die gleichwohl vorgenommenen Ergebnisabführungen als verdeckte Gewinnausschüttungen zu qualifizieren.

Nur hinsichtlich des Jahres 2004 war die Klage der GmbH erfolgreich, da für dieses Jahr wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung kein Vorbehalt der Nachprüfung mehr bestand und damit eine Änderung der Bescheide für 2004 nicht mehr zulässig war.

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1.    Kind in Facharztausbildung: Kein Anspruch auf Kindergeld

Beginnt das Kind nach dem Medizinstudium ein Dienstverhältnis an einer Klinik zur Erlangung der Facharztqualifikation, entfällt der Kindergeldanspruch mangels einer Berufsausbildung. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Erwerbscharakter und nicht der Ausbildungscharakter im Vordergrund steht.

Hintergrund

Mutter M bezog zunächst laufend Kindergeld für ihre Tochter X. Diese legte im Dezember 2020 die Abschlussprüfung in ihrem Medizinstudium ab und begann zum 1.1.2021 ihre mindestens 60 Monate umfassende Vorbereitungszeit zur Erlangung der Qualifikation als Fachärztin. Das hierzu mit einer Klinik abgeschlossene Dienstverhältnis umfasste eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden.

Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung ab April 2021 mit der Begründung auf, X habe sich nicht mehr in einer berücksichtigungsfähigen Ausbildung befunden.
Dem folgte das Finanzgericht und wies die Klage ab. Die Facharztausbildung habe nicht im Rahmen einer berücksichtigungsfähigen (einheitlichen) Erstausbildung stattgefunden, sondern sei berufsbegleitend als Weiterbildung (Zweitausbildung) durchgeführt worden.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision als unbegründet zurück. Es fehlt am Vorliegen einer Ausbildung.

Werden Ausbildungsmaßnahmen (wie hier) innerhalb eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses durchgeführt, liegen die Voraussetzungen einer Berufsausbildung nur vor, wenn die Erlangung beruflicher Qualifikationen, d. h. der Ausbildungscharakter, und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, d. h. der Erwerbscharakter, im Vordergrund steht. Kurse oder Lehrgänge, die an sich als Berufsausbildung zu betrachten wären, führen daher nicht zur kindergeldrechtlichen Berücksichtigung, wenn sie im Rahmen eines Erwerbsverhältnisses absolviert werden und bei einer Gesamtbetrachtung der Erwerbscharakter überwiegt.

Bei der Beurteilung, ob der Ausbildungs- oder der Erwerbscharakter im Vordergrund steht, kommt es – trotz der allgemeinen Geltung des Monatsprinzips – nicht darauf an, ob im einzelnen Monat die Ausbildungsmaßnahmen oder die Erwerbstätigkeit im Vordergrund steht. Vielmehr sind solche Arbeits- und Dienstverhältnisse als Einheit zu betrachten und daraufhin zu untersuchen, ob "insgesamt" der Ausbildungscharakter und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen (d. h. der Erwerbscharakter) im Vordergrund steht.

X hat im Rahmen ihrer Tätigkeit bereits ihre Qualifikation als Ärztin eingesetzt. Der Erwerbscharakter stand im Vordergrund. Denn die reinen Ausbildungsinhalte bestanden lediglich aus einem mindestens einmal jährlich durchgeführten Gespräch mit dem anleitenden Arzt sowie aus 80 Stunden Weiterbildung während der gesamten 60-monatigen Facharztausbildung. Die Facharztqualifikation wird somit ganz überwiegend aufgrund der praktischen Erfahrung aus der ärztlichen Tätigkeit und nur in geringerem Umfang aus der Vermittlung von theoretischem Wissen und Methodenkompetenz erworben. Nach den Feststellungen des FG schuldete X somit X schwerpunktmäßig ihrem Arbeitgeber ihre ärztliche Tätigkeit nach dessen Weisung. Danach und nicht auf die Teilnahme an einer Berufsausbildungsmaßnahme war ihre Vergütung ausgerichtet.

Da somit wegen des Erwerbscharakters schon der weite Ausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht erfüllt war, konnte für den Bundesfinanzhof offenbleiben, ob es sich im Rahmen des engeren Ausbildungsbegriffes des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG um eine Erst- oder Zweitausbildung handelte. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob X eine langfristige Bindung an den Arbeitgeber eingegangen ist und welchen Umfang die wöchentliche Arbeitszeit hatte. Auch spielt das Berufsziel der X bei der Abwägung zwischen den Ausbildungs- und den Erwerbsanteilen ihres Dienstverhältnisses keine Rolle.

2.   Überwiegender Aufenthalt in China ohne Familie: unbeschränkte Steuerpflicht ja oder nein?

Art. 4 Abs. 1 DBA-China definiert die Voraussetzungen der Ansässigkeit nicht abkommensautonom, sondern durch ausdrückliche Anknüpfung an das innerstaatliche Recht des jeweiligen Vertragsstaats.

Hintergrund

Der Kläger ist gebürtiger Chinese und hat mit seiner in Deutschland geheirateten Ehefrau ein gemeinsames Kind. Die beiden Eheleute haben gemeinsam ein Grundstück in Deutschland erworben, in dem die Ehefrau mit dem Kind lebt. Der Kläger hat die Baukosten für das Gebäude allein getragen.

Der Kläger hat auch in China ein Grundstück und betreibt dort umfangreiche Investitionen in chinesische Kapitalgesellschaften, die zu hohen Gewinnausschüttungen in den Streitjahren geführt haben.

Der Kläger behauptet, seinen Wohnsitz ausschließlich in China zu haben, sodass sich keine Steuerpflicht der Dividenden in Deutschland ergäbe.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Kläger ist in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig und muss daher die Dividenden im Inland versteuern. Er hat eine Wohnung in Deutschland inne, die nach objektiven Maßstäben dauerhaft genutzt und beibehalten wird; aus den Unterlagen ergibt sich eine Nutzung an mehr als 90 Tagen pro Jahr. Sein Wille, an diesem Platz keinen Wohnsitz zu begründen, ist irrelevant; maßgeblich sind allein die tatsächlichen Lebensverhältnisse.

Das DBA-China weist ebenfalls Deutschland das Besteuerungsrecht zu, da es gem. Art. 4 Abs. 1 DBA-China keine eigenständige Definition der Ansässigkeit vornimmt, sondern an das innerstaatliche Recht – hier von Deutschland – anknüpft. In China dagegen ist der Kläger nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Die Prüfung von Art. 4 Abs. 2 DBA-China (tie-breaker-rule) ist somit nicht mehr notwendig, da der Kläger bereits nach Art. 4 Abs. 1 DBA-China nur in einem Vertragsstaat (hier Deutschland) ansässig ist.

3.    Kindergeld: Freiwilliges soziales Jahr ist keine Berufsausbildung

Für ein volljähriges Kind wird für die Übergangszeit von 5 Monaten zwischen der Beendigung der Schulausbildung und dem Antritt eines Freiwilligendienstes im Rahmen des Europäischen Sozialkorps (freiwilliges soziales Jahr) auch dann kein Kindergeld gewährt, wenn das Kind nach Beendigung des Freiwilligendienstes ein duales Bachelorstudium aufnimmt und das Kind pandemiebedingt zunächst kein Projekt für ein freiwilliges soziales Jahr finden konnte.

Hintergrund

Die Tochter der Klägerin beendete ihre Schulausbildung im Juli 2020. In der Zeit von April bis Oktober 2020 war sie auf Projektsuche für ein freiwilliges soziales Jahr. Seit dem 20.11.2020 war sie bei der Agentur für Arbeit als ausbildungsplatzsuchend geführt. Ab Januar 2021 absolvierte die Tochter einen Freiwilligendienst. Zum 1.10.2021 nahm sie ein duales Studium zum Bachelor auf.

Die Familienkasse gewährte Kindergeld ab November 2020, da die Tochter ihre schulische Ausbildung im Juli 2020 beendet und erst im Januar 2021 die berücksichtigungsfähige Freiwilligenaktivität aufgenommen habe. Zwischen den Ausbildungsabschnitten lägen demzufolge 5 Monate, sodass eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung nicht möglich sei. Das Bewerbungsverfahren für die Aufnahme der Freiwilligenaktivität führe nicht zu einer Berücksichtigungsfähigkeit des Kindes. Pandemiebedingte Ausnahmeregeln sehe das Einkommensteuergesetz nicht vor. Da die Aufnahme des freiwilligen Dienstes ausschließlich pandemiebedingt nicht möglich gewesen sei, begehrt die Klägerin die Gewährung des Kindergeldes ab August 2020.

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage ab und entschied, dass sich eine Berücksichtigungsfähigkeit nicht aus § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ergebe, da die Tochter der Klägerin sich nicht in einer Übergangszeit von höchstens 4 Monaten befunden habe, weil sie ihre Schulausbildung im Juli 2020 beendete und ihren Freiwilligendienst im Januar 2021 aufgenommen habe. Der Zeitraum zwischen diesen beiden Ausbildungsabschnitten betrage demnach 5 Monate. Im Streitfall könne die Tochter trotz ihrer Suche nach einem Projekt für ein freiwilliges soziales Jahr auch nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt werden, da es sich bei der Suche nach einem Projekt für ein freiwilliges soziales Jahr nicht um eine Suche nach einem Ausbildungsplatz handele.

Eine analoge Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG auf Fälle, in denen ein freiwilliges soziales Jahr aufgrund der Corona-Pandemie nicht begonnen werden könne, sei nicht möglich, da es insoweit ebenfalls an der für eine analoge Anwendung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehle.

4.    Zur nachträglichen Forderungsanmeldung bei Insolvenz

Die Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass der bereits zur Insolvenztabelle festgestellten Forderung eine Steuerstraftat des Schuldners zugrunde liegt, können gem. § 177 Abs. 1 InsO nachträglich angemeldet werden.

Hintergrund

Über das Vermögen des X wurde im Juli 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Dem lag ein Eigenantrag des X zugrunde, der mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung verbunden war.
Das Finanzamt meldete Abgabenforderungen an, ohne auf einen Zusammenhang mit einer Steuerstraftat hinzuweisen. Die Forderungen wurden, ohne dass X als Schuldner widersprochen hatte, wie angemeldet am 5.11.2015 zur Insolvenztabelle festgestellt.

Mit Strafbefehl vom 6.4.2016 wurde X rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe verurteilt. Anschließend beantragte das Finanzamt, die Insolvenztabelle um das Attribut zu ergänzen, dass es sich in Höhe eines Teilbetrags um Forderungen aus einer Steuerstraftat nach § 370 AO handele, für die gem. § 302 Nr. 1 InsO die Restschuldbefreiung ausgeschlossen sei. X legte gegen die Anmeldung des Attributs Widerspruch ein. Im Prüfungstermin im schriftlichen Verfahren wurde sein Widerspruch in die Tabelle eingetragen.

Nachdem ein entsprechender Tabellenauszug beim Finanzamt eingegangen war, erließ dieses am 10.1.2019 einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO mit dem die Forderungen in der im Einzelnen spezifizierten Höhe "als von der Restschuldbefreiung ausgenommene Insolvenzforderungen festgestellt" wurden.

Im Juni 2019 fand der Schlusstermin im schriftlichen Verfahren statt. Im Juli 2019 wurde das Insolvenzverfahren gem. § 200 InsO aufgehoben.

Der Einspruch gegen den Feststellungsbescheid blieb erfolglos.

Im anschließenden Klageverfahren änderte das Finanzamt am 27.6.2019 den Feststellungsbescheid dahingehend, dass die Forderungen aus einem Steuerschuldverhältnis, "wegen dem Sie gem. § 370 AO wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden sind" festgestellt werden.

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Die rechtskräftige Verurteilung wegen einer Steuerstraftat müsse noch nicht zum Zeitpunkt der ursprünglichen Forderungsanmeldung vorgelegen haben. Bei der Anmeldung zur Tabelle müssten keine Umstände angegeben werden, aus denen sich die Steuerstraftat ergebe.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision als unbegründet zurück. Das Finanzamt war berechtigt, auf den isoliert erhobenen Widerspruch des X gegen die Anmeldung des Attributs zur Insolvenztabelle nachträglich festzustellen, dass es sich dabei um Forderungen i. S. d. § 174 Abs. 2, § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO handelt.

Forderungen können nach § 177 Abs. 1 InsO auch nachträglich, d. h. nach Ablauf der Anmeldefrist, angemeldet werden. Die gem. § 28 Abs. 1 InsO im Eröffnungsbeschluss zu bestimmende Anmeldefrist stellt keine Ausschlussfrist dar. Deshalb sind Forderungsanmeldungen und Änderungsmeldungen bis zum Schlusstermin möglich.

Aus § 177 Abs. 1 InsO ergibt sich, dass auch eine nachträgliche Anmeldung des Attributs i. S. d. § 174 Abs. 2 InsO möglich ist. Dabei handelt es sich um eine nachträgliche Änderung i. S. d. § 177 Abs. 1 Satz 3 InsO.

Die Feststellung war nach § 251 Abs. 3 AO erforderlich ("erforderlichenfalls"). Das Interesse des Finanzamts an einer Feststellung nach § 251 Abs. 3 AO entfällt nicht bereits aufgrund der bestandskräftigen Festsetzung der Steuerforderungen. Denn die Bestandskraft eines Steuerbescheids erstreckt sich nicht auf die Feststellung, dass der Anspruch aus einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftrat stammt. Zudem bleibt auch bei einem Strafurteil/Strafbefehl, aus dem sich der Umfang der Steuerstraftat ergibt, noch zu klären, ob die als Insolvenzforderungen geltend gemachten Steuerforderungen vollumfänglich von dem Strafurteil bzw. Strafbefehl umfasst sind. Ergeht der Feststellungsbescheid i. S. v. § 251 Abs. 3 AO nach einem isolierten Widerspruch des Schuldners gegen das Attribut gem. § 302 Nr. 1 Alternative 3 InsO, muss sich aus dem Bescheid ergeben, dass der Schuldner im Zusammenhang mit der Forderung wegen einer Steuerstraftat nach §§ 370, 373 oder § 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist.

Hiervon ausgehend war der von X angefochtene Feststellungsbescheid rechtmäßig. Das Finanzamt hat die Insolvenzforderungen wirksam geltend gemacht. Unabhängig von der Bestandskraft der Bescheide konnte das Finanzamt einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO erlassen, wenn es nur die Feststellung des Attributs der Steuerstraftat zur Tabelle erreichen will und der Steuerpflichtige dem isoliert widersprochen hat. Denn der isolierte Widerspruch des Schuldners musste vom Finanzamt beseitigt werden, damit die angemeldeten Forderungen nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werden.

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1.    Taxi ist kein "öffentliches Verkehrsmittel": Fahrten deshalb nur mit Entfernungspauschale abzurechnen

Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mit einem Taxi können lediglich in Höhe der Entfernungspauschale als Werbungskosten abgesetzt werden.

Hintergrund

X ist seit 2007 krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage, selbst ein Kfz sicher zu führen. Sein Grad der Behinderung (GdB) betrug in den Streitjahren (2016/2017) 60 ohne besondere Merkzeichen. Er legte daher die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i. d. R. mit einem Taxi zurück. Für die Taxifahrten entstanden ihm Kosten von 6.400 EUR (2016) bzw. 2.700 EUR (2017), die er als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend machte.

Das Finanzamt anerkannte lediglich Aufwendungen in Höhe der Entfernungspauschale.

Das Finanzgericht gab der Klage mit der Begründung statt, ein Taxi sei ein öffentliches Verkehrsmittel i. S. v. § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG.

Entscheidung

Ein Taxi ist kein öffentliches Verkehrsmittel. Die Aufwendungen des X für seine Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sind daher nicht in tatsächlicher Höhe abziehbar, sondern durch den Ansatz der Entfernungspauschale abgegolten.

Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG können Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auch angesetzt werden, soweit sie den im Kalenderjahr insgesamt als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen. Behinderte Menschen (GdB 70 oder 50 bis 70, aber eingeschränkte Bewegungsfähigkeit) können anstelle der Entfernungspauschalen die tatsächlichen Aufwendungen ansetzen.

Der Begriff ist im EStG nicht definiert. Der Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG lässt sich sowohl dahin verstehen, dass es sich um ein Verkehrsmittel handelt, das - wie u. a. ein Taxi - allgemein der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, als auch so auslegen, dass lediglich regelmäßig verkehrende öffentliche Verkehrsmittel (im Linienverkehr) erfasst sind. Der Umstand, dass die Beförderung von Personen mit Kfz im Gelegenheitsverkehr etwa mit einem Taxi genehmigungspflichtig ist, zwingt nicht dazu, das Taxi auch als öffentliches Verkehrsmittel i. S. d. § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG anzusehen.

Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs fallen unter § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG lediglich öffentliche Verkehrsmittel im Linienverkehr und damit nicht Taxen. Die Umstellung auf die verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale ab 2001 sollte die Ausgangslage für den öffentlichen Personennahverkehr verbessern. Soweit der Gesetzgeber von der Anwendung des Pauschsatzes bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel in § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG eine Ausnahme normiert hat, hatte er folglich den öffentlichen Personennahverkehr (Linienverkehr) vor Augen. Den Abzug von Aufwendungen für die Nutzung des eigenen Pkw hat er demgegenüber beschränkt. Dieser Lenkungszweck spricht für eine Beschränkung auch bei Nutzung eines Taxis. Die Fahrtkosten bei der Nutzung eines Taxis werden damit ebenso behandelt wie Fahrtkosten für die Nutzung eines sonstigen (privaten) Pkw.

2.    Wanderarbeitnehmer: Wann der Kindergeldantrag verfristet ist

Stellt ein Wanderarbeitnehmer seinen Antrag auf Kindergeld bei der inländischen Familienkasse erst nach Ablauf der 6-monatigen Ausschlussfrist, kann sein Auszahlungsanspruch erst abgelehnt werden, wenn feststeht, dass im Heimatland des Kindes kein fristwahrender Antrag gestellt wurde.

Hintergrund

X ist rumänischer Staatsangehöriger und war von März bis Mai 2019 in Deutschland als Arbeitnehmer beschäftigt. Er ist der Vater eines 2007 geborenen Sohnes A.
Im November 2019 beantragten die Prozessbevollmächtigten des X bei der Familienkasse Kindergeld für A.

Die Familienkasse setzte Kindergeld für März bis Mai 2019 in Höhe eines Unterschiedsbetrags zwischen dem gesetzlichen Kindergeld und der rumänischen Familienleistung fest. Zugleich gewährte sie eine Nachzahlung für Mai 2019. Eine Nachzahlung für März und April 2019 lehnte die Familienkasse mit der Begründung ab, eine Auszahlung sei nur 6 Monate rückwirkend vor der Antragstellung möglich.

Das Finanzgericht folgte der Auffassung der Familienkasse und wies die Klage ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Urteil des Finanzgerichts auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Das Finanzgericht hat sich zu Unrecht auf die Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG berufen, ohne eine fristgerechte Antragstellung im Ausland zu prüfen.

Die Familienkasse und das Finanzgericht sind zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der von X bei der Familienkasse gestellte Antrag die 6-Monatsfrist für die Monate März und April 2019 nicht wahrt. Es fehlen jedoch Feststellungen dazu, ob im Heimatland (Rumänien) von X oder einer anderen berechtigten Person ein diese Frist wahrender Antrag gestellt wurde.

Um Wanderarbeitnehmern (und den ihnen Gleichgestellten) die Teilnahme am zwischenstaatlichen Verwaltungsverfahren zu erleichtern, können sie, statt sich direkt an die für sie zuständige ausländische Einrichtung (Familienkasse) zu wenden, ihr Anliegen an die entsprechende Stelle ihres Wohnstaats richten. Sie sollen keinen Rechtsverlust durch lange Postwege oder Unkenntnis über den Verwaltungsaufbau im ausländischen Staat befürchten zu müssen. Aus der den beteiligten Trägern auferlegten Pflicht zur unverzüglichen Antragsweiterleitung wird deutlich, dass die Regelungen eine zeitnahe Durchführung des Koordinierungsverfahrens bezwecken. Im Einzelnen gilt:
Bei unterbliebener Antragstellung durch einen berechtigten Elternteil ist auch der von dem anderen Elternteil gestellte Antrag zu berücksichtigen.

Die Antragsgleichstellung gilt nicht nur für den Antragseingang beim nachrangig verpflichteten Leistungsträger, sondern auch für den Fall des Antragseingangs beim vorrangig zuständigen Leistungsträger.

Zudem ergibt sich auch aus Art. 81 EGV 883/2004, dass Anträge, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats innerhalb einer bestimmten Frist einzureichen sind, innerhalb der gleichen Frist bei einer entsprechenden Behörde eines anderen Mitgliedstaats eingereicht werden können.

In diesem Fall übermitteln die in Anspruch genommenen Behörden diese Anträge unverzüglich der zuständigen Behörde des ersten Mitgliedstaats. Der Tag, an dem diese Anträge bei einer Behörde des zweiten Mitgliedstaats eingegangen sind, gilt als Tag des Eingangs bei der zuständigen Behörde. Dementsprechend ist das "Prinzip der europaweiten Antragstellung" zu beachten.

Im Streitfall kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Mutter des A (oder ein sonstiger Berechtigter) vor Ablauf der 6-Monatsfrist in Rumänien einen Antrag auf Familienleistungen für die streitigen Monate März und April gestellt hat. Dass dieser Antrag möglicherweise nicht weitergeleitet wurde, wäre unerheblich, da es nach dem Prinzip der europaweiten Antragsgleichstellung lediglich auf die Antragstellung innerhalb der Frist ankommt.

Wegen der bestehenden Unklarheiten musste der Bundesfinanzhof die Sache an das Finanzgericht zurückverweisen. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass in Rumänien ein Antrag auf Familienleistungen gestellt wurde. Das Finanzgericht wird durch Auskunftsersuchen gegenüber dem zuständigen Träger in Rumänien aufzuklären haben, ob eine berechtigte Person während der Ausschlussfrist einen Familienleistungsanspruch für A in Rumänien geltend gemacht hat.

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1.   Befristeter Nießbrauch an vermietetem Grundstück: Wann Gestaltungsmissbrauch vorliegt

Bestellen die Eltern ihren minderjährigen unterhaltsberechtigten Kindern befristet einen Nießbrauch an einem Grundstück, das langfristig bis zur Beendigung des Nießbrauchs an eine von den Eltern beherrschte GmbH vermietet ist, kann diese Nießbrauchsbestellung steuerrechtlich nicht anerkannt werden.

Hintergrund

Die Eltern bestellten einen befristeten Nießbrauch an einem vermieteten Grundstück zugunsten ihrer bei Bestellung noch minderjährigen Söhne. Das Grundstück ist langfristig bis zur Beendigung des Nießbrauchs an eine von den Eltern beherrschte GmbH vermietet. Das Finanzamt verneinte die Einkünfteerzielung durch die Nießbraucher, da sie im Verhältnis zum Mieter nicht die Stellung eines Vermieters und damit Einkünfteerzielers hätten und rechnete die Vermietungseinkünfte weiterhin den Eltern als Eigentümer zu.

Entscheidung

Das Finanzgericht folgte der vom Finanzamt vertretenen Rechtsauffassung und entschied, dass es bei der Nießbrauchseinräumung in erster Linie um die Ausnutzung der Freibeträge der Söhne oder zumindest des Progressionsgefälles zwischen Eltern und Söhnen ging. Würden die Mieteinnahmen bei den Eltern anfallen, wäre die Steuerbelastung höher als sie bei den Söhnen ist. Dies ist nach Auffassung des Finanzgerichts gestaltungsmissbräuchlich i. S. v. § 42 AO.

Auch der Umstand, dass die Eltern das Grundstück im Rechtssinne nicht für sich selbst benötigen, sondern für eine GmbH, die sie bei wirtschaftlicher Betrachtung aber kontrollieren, machte für das Finanzgericht bei der Prüfung, ob Missbrauch i. S. v. § 42 AO vorliegt, keinen Unterschied. Entscheidend sei, dass die Eltern das Grundstück für die betrieblichen Zwecke ihrer GmbH brauchen und derjenige, der ein Grundstück selbst benötigt, es bei wirtschaftlich sinnvoller Verfahrensweise nicht unentgeltlich (zunächst) einem anderen überlässt.
Das Finanzgericht vertritt die Auffassung, dass die befristete Übertragung des in zeitlicher Hinsicht identisch unkündbaren Mietvertrags zwischen Eltern und GmbH auf die Kinder unwirtschaftlich, umständlich und überflüssig erscheint und sich lediglich als formale Maßnahme zur Steuerersparnis erweist.

2.    Vermietung an Angehörige: Wenn der Mietvertrag geringfügige Mängel aufweist – Folgen?

Ein Angehörigen-Mietvertrag über eine Dachgeschosswohnung kann auch dann steuerlich anzuerkennen sein, wenn ein über der Wohnung befindlicher, bei Abschluss des Mietvertrags noch in Bau befindlicher, nur über die Dachgeschosswohnung erreichbarer und nach Fertigstellung von den Mietern genutzter Spitzboden nicht im Mietvertrag erwähnt und auch bei der nach der Wohnfläche vorgenommenen Nebenkostenabrechnung nicht berücksichtigt worden ist.

Hintergrund

Die Steuerpflichtigen nutzten ihr Einfamilienhaus zum Teil zu eigenen Wohnzwecken. Eine unter dem Spitzboden des Einfamilienhauses gelegene Einliegerwohnung mit einer Größe von 68,42 qm war an die Mutter bzw. Schwiegermutter der Steuerpflichtigen vermietet, die im August 2014 verstarb. Im Zeitraum November–Dezember 2014 erfolgte eine Neueindeckung und Dämmung des Dachs, der Einbau von 5 neuen Fenstern, der Austausch zweier Fenster sowie des Dachausstiegs. im Zeitraum März–Juni 2015 erfolgte der Innenausbau des Spitzbodens.

Er wurde dabei mit der Einliegerwohnung durch eine Treppe verbunden. So entstanden 2 neue beheizte Räume mit liegenden Fenstern mit einer Größe von insgesamt 20,74 qm. Am 25.3.2015 schlossen die Steuerpflichtigen mit ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn einen schriftlichen Mietvertrag über die Wohnung "im Dachgeschoss" unter Angabe einer Wohnfläche im Umfang von 68,42 qm ab, der eine Gesamtmiete i. H. v, monatlich 548,17 EUR vorsah. Das Mietverhältnis sollte mit dem Einzug der Mieter in diese Wohnung beginnen.

Tatsächlich vereinnahmten die Steuerpflichtigen im Streitjahr 2015 die vereinbarten Mietzahlungen für die Zeit ab 1.8.2015. Die im Streitjahr 2015 geltend gemachten negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Einliegerwohnung erkannte das Finanzamt nicht an und begründete seine Entscheidung u. a. damit, dass das Mietverhältnis zwischen den Steuerpflichtigen und der Tochter bzw. dem Schweigersohn steuerrechtlich nicht anzuerkennen sei. Das Mietverhältnis halte einem Fremdvergleich nicht stand. Einem fremden Dritten wären sowohl der Mietzins als auch die Nebenkosten nach der tatsächlich zur Nutzung überlassenen Wohnfläche berechnet worden (also ursprüngliche Wohnfläche der Einliegerwohnung 68,42 qm zuzüglich 20,74 qm des ausgebauten Spitzbodens).

Entscheidung

Nach Auffassung des Finanzgerichts sind das Mietverhältnis und die geltend gemachten Verluste aus Vermietung und Verpachtung der Einliegerwohnung steuerlich anzuerkennen. Im Vergleich zu anderen "Mängeln" von Mietverhältnissen zwischen nahen Angehörigen (z. B. der Vermieter benutzt die Mietsache weiterhin für eigene Wohnzwecke mit oder die Miete wird nur teilweise oder nicht zeitnah entrichtet) sei der vorliegende "Mangel" des Mietvertrags (der Spitzboden wird nicht als Bestandteil der Mietsache eigens erwähnt) nach Ansicht des FG vergleichsweise geringfügig, zumal es sich bei dem Spitzboden mangels ausreichender Raumhöhe nicht um einen Aufenthalts-, sondern nur um einen "Nutzraum", ähnlich einem Kellerraum, handele.

Grundsätzlich gilt, dass Mietvertragsverhältnisse zwischen nahestehenden Personen steuerrechtlich nur anzuerkennen sind, wenn sie ernstlich gewollt, eindeutig und bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden sind, entsprechend der Vereinbarung auch tatsächlich durchgeführt (vollzogen) werden und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung).

3.    Wohnungseigentum: Selbstbeteiligung ist gemeinschaftlich zu tragen

Ein in der Gebäudeversicherung vereinbarter Selbstbehalt ist auch dann von allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu tragen, wenn ein Schaden ausschließlich oder teilweise im Sondereigentum eines Miteigentümers eingetreten ist.

Hintergrund

Die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft streiten darüber, wer nach Schadensfällen die Selbstbeteiligung der Gebäudeversicherung tragen muss.

Die Anlage besteht aus einer gewerblichen Einheit sowie zahlreichen Wohnungen. Die Gemeinschaft unterhält eine Gebäudeversicherung, die u. a. auch Leitungswasserschäden abdeckt (verbundene Gebäudeversicherung). Der Versicherungsschutz besteht für das gesamte Gebäude, ohne Unterscheidung zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum.

In den Wohnungen kam es aufgrund mangelhafter Leitungen wiederholt zu Leitungswasserschäden. Nach der Schadensbeseitigung durch ein Fachunternehmen nahm die Verwalterin jeweils die Versicherung in Anspruch. Die vereinbarte Selbstbeteiligung legte sie jeweils nach Miteigentumsanteilen auf alle Eigentümer um. So verfuhr sie auch bei Schäden, die ausschließlich im Sondereigentum entstanden waren. Wegen der Vielzahl der Schadensfälle beträgt die Selbstbeteiligung inzwischen 7.500 EUR je Schadensfall. Dies führt dazu, dass im Ergebnis nur noch etwa 25 % der Schäden ersetzt werden.

Die Eigentümerin der gewerblichen Einheit hält die Praxis, die Selbstbeteiligung auf alle Einheiten zu verteilen, für rechtswidrig. Sie möchte erreichen, dass sie nicht anteilig am Selbstbehalt für Schäden in fremdem Sondereigentum beteiligt wird.

Entscheidung

Die in der Gemeinschaft praktizierte Verteilung des Selbstbehalts bei einem Leitungswasserschaden nach Miteigentumsanteilen ist grundsätzlich rechtmäßig.

Tritt in einer Wohnungseigentumsanlage aufgrund einer defekten Wasserleitung ein Schaden ein, ist ein von der Gemeinschaft in der verbundenen Gebäudeversicherung vereinbarter Selbstbehalt, durch den der Versicherer einen bestimmten Teil des ansonsten versicherten Schadens nicht ersetzen muss, wie die Versicherungsprämie nach dem gesetzlichen bzw. vereinbarten Verteilungsschlüssel zu verteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Schaden am Gemeinschaftseigentum oder ausschließlich oder teilweise am Sondereigentum entstanden ist.

Ein Selbstbehalt wird i. d. R. vereinbart, um für die Wohnungseigentümer die Versicherungsprämie zu reduzieren. Grundlage der Entscheidung, in einem Versicherungsfall nicht den vollen Schaden ersetzt zu bekommen, ist die Erwartung der Wohnungseigentümer, dass dieses Risiko gemeinschaftlich getragen wird.

Das gilt auch, wenn der Versicherer die Fortführung der Versicherung von der Vereinbarung eines Selbstbehalts abhängig macht. Auch dann kommt die Vereinbarung eines Selbstbehalts allen Wohnungseigentümern zugute, weil anderenfalls deren Anspruch auf eine angemessene Versicherung nicht erfüllt werden könnte. Im Ergebnis stellt daher der Selbstbehalt wie die Versicherungsprämie einen Teil der Gemeinschaftskosten gem. § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG dar.

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1.   Welche Schriftsätze als elektronisches Dokument zu übermitteln sind

Seit 1.1.2022 muss eine Rechtsanwaltsgesellschaft eine Klage als elektronisches Dokument beim Finanzgericht einreichen.

Hintergrund

Der Kläger wurde in einem finanzgerichtlichen Klageverfahren durch eine Rechtsanwaltsgesellschaft vertreten. Diese reichte am 17.1.2022 – innerhalb der Klagefrist – eine Klage per Telefax ein. Diese Klage wurde von einem Rechtsanwalt und Steuerberater unterschrieben.

Das Gericht wies die Klägervertreterin im Februar 2022 darauf hin, dass die Klage nicht, wie seit 1.1.2022 erforderlich, als elektronisches Dokument eingereicht worden sei. Die Klage sei deshalb nach vorherrschender Literaturansicht unzulässig, weil diese nicht ordnungsgemäß erhoben wurde.

Die Klägervertreterin führte hiergegen an, dass auf die Rechtsanwaltsgesellschaft abzustellen sei. Diese könne aber erst ab 1.8.2022 über ein eigenes elektronisches Anwaltspostfach verfügen. Zudem sei die Rechtsbehelfsbelehrung in der Einspruchsentscheidung falsch gewesen, da diese nicht auf die Einreichung auf elektronischem Wege hingewiesen habe.

Entscheidung

Das Finanzgericht blieb bei seiner Ansicht, dass die Klage unzulässig sei, da sie nicht innerhalb der Klagefrist erhoben worden sei. Die Klägervertreterin sei verpflichtet gewesen, die Klage als elektronisches Dokument zu übermitteln.

Hierbei sei es unerheblich, dass die Prozessbevollmächtigte eine Rechtsanwaltsgesellschaft gewesen sei. Auch diese sei seit 1.1.2022 zu Übermittlung auf elektronischem Wege verpflichtet. Auf den Umstand, dass sie um Zeitpunkt der Einreichung im Januar 2022 noch nicht über ein eigenes Anwaltspostfach habe verfügen können, komme es nicht an. Das Gesetz sehe nämlich auch andere Möglichkeiten einer elektronischen Klageeinreichung vor. Die Tatsache, dass der Unterzeichner auch Steuerberater sei, sei ebenso unerheblich.

Schließlich sei die Rechtsbehelfsbelehrung auch nicht falsch gewesen. Sie habe vielmehr den Anforderungen gemäß der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entsprochen.

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