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08/2024

August 2024

1. Anbieten von Kraftfahrzeugen und Standplatzvermietung

Die Vermietung von Kfz-Stellplätzen anlässlich von Automärkten ist eine steuerfreie Vermietung an die potenziellen Verkäufer der Kraftfahrzeuge, wenn die erbrachten weiteren Leistungen an die potenziellen Kfz-Verkäufer unwesentlich und damit nicht leistungsbestimmend sind. Jedoch entfällt die Steuerbefreiung, wenn es sich um eine Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen handelt.

Hintergrund

Die Klägerin veranstaltete in den Streitjahren 2013-2017 an verschiedenen Standorten Automärkte und vermietete Pkw-Verkaufsplätze an private und gewerbliche Verkaufsinteressenten. Nach Entgeltentrichtung durften die Verkäufer innerhalb der Verkaufsfläche an dem zugewiesenen Stellplatz ihren Pkw anbieten. Das anwesende Kassen- und Ordnungspersonal der Klägerin leistete keine Unterstützung bei den Verkaufsprozessen.

Ein der Klägerin gehörendes Geldscheinprüfgerät durften die Verkäufer benutzen. Bei den Automärkten auf dem Gelände von Autokinos gab es sog. Snackbars in feststehenden Gebäuden. Insoweit hatten Besucher und Verkäufer die gleichen Preise zu bezahlen. Teilweise boten Drittanbieter die Erstellung von Autokennzeichen gegen Entgelt an.

Entscheidung

Zwar erbringt die Klägerin nach Auffassung des FG eine Grundstücksvermietung, jedoch handelt es sich dabei um eine nicht steuerbefreite Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen.

Die Vermietung von Kfz-Stellplätzen anlässlich von Automärkten ist eine steuerfreie Vermietung an die potenziellen Verkäufer der Kfz, wenn die erbrachten weiteren Leistungen an die potenziellen Kfz-Verkäufer wie hier unwesentlich und damit nicht leistungsbestimmend sind.

Im Streitfall erbrachte die Klägerin als weitere zusätzliche Leistungen u. a. die Stellung von Kassen- und Ordnungspersonal und eines Geldscheinprüfgeräts sowie den Verkauf von Essen und Trinken an Snackbars gegen extra Entgelt. Hierbei handelt es sich jedoch im Verhältnis zur Platzvermietung nur um geringfügige Leistungen. So unterstützte das o. g. Personal des Klägers die Verkäufer nicht bei den Verkaufsprozessen. Auch konnten Dienstleistungen von Drittanbietern der Klägerin nicht zugerechnet werden.

Der Verkauf von Essen und Trinken an den Snackbars gegen gesondertes Entgelt durch die Klägerin war nicht untrennbar mit der Vermietungsleistung an die Verkäufer verbunden. Die genannten zusätzlichen Leistungen der Klägerin sind so unwesentlich, dass die Leistungen der Klägerin insgesamt als Vermietung eines Stellplatzes für ein Fahrzeug anzusehen sind.

Diese geringfügigen zusätzlichen Leistungen führen dazu, dass es sich nicht um eine Zurverfügungstellung einer „Automarktplattform“ handelt.

Die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen ist nicht befreit. Sinn und Zweck der Befreiung von Vermietungsleistungen sind soziale Gründe gewesen. Diese sozialen Gründe liegen z. B. bei der Vermietung von Bootliegeplätzen nicht vor. Dies gilt generell für die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Beförderungsmitteln und damit auch bei der Vermietung von Stellplätzen zum Abstellen für von zum Verkauf bestimmten Fahrzeuge.

Im Streitfall hat die Klägerin solche Vermietungsleistungen ausgeführt und diese stellen nicht nur Nebenleistungen dar. Die Klägerin hat selbst eingeräumt, dass sie Kfz-Anbietern lediglich die Berechtigung einräume, eine Verkaufsfläche in Form eines Stellplatzes zu nutzen.

2. Kombinierte Sportschwimmbad- und Saunanutzung: Welcher Umsatzsteuersatz gilt?

Ein Leistungsbündel aus Sportschwimmbad und Sauna kann aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung darstellen. Eine solche einheitliche Leistung unterliegt nicht dem ermäßigten Steuersatz.

Hintergrund

Die Klägerin betreibt ein Schwimmbad mit Sauna. Der Saunabereich kann mit einem beim Eintritt in das Schwimmbad erhaltenen Chip betreten werden. Die Nutzung der Sauna ist im Eintrittspreis des Schwimmbads enthalten. Die Kombination von Schwimmbad und Sauna zu einem einheitlichen Eintrittspreis wurde werbemäßig als besonderes Angebot hervorgehoben. Der Erwerb von getrennten Eintrittsberechtigungen war nicht möglich. Die Klägerin teilte die Umsätze gemäß dem Nutzerverhalten nach der Zählung des Lesegerätes im Sauna-Eingangsbereich in den ermäßigten Umsatzsteuersatz (Schwimmbad) und in den Regelsteuersatz (Sauna) auf. Das Finanzamt dagegen unterwarf die Erlöse als einheitliche Leistung dem Regelsteuersatz. Unstreitig war der ermäßigte Steuersatz für Leistungen an Vereine.

Entscheidung

Nach Auffassung des FG unterliegt der Eintritt für die Schwimmbad- und Saunanutzung für Einzelpersonen als eine einheitliche „neue“ Leistung gesamt dem Regelsteuersatz.

Für die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie der Verabreichung von Heilbädern gilt der ermäßigte Steuersatz. Ob es sich bei einer Schwimmbad- und Saunanutzung um eine selbstständige Leistung oder um eine einheitliche Leistung handelt, ist aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zu prüfen. Eine einheitliche Leistung liegt vor, wenn eine Einzelleistung eine Hauptleistung und die andere Einzelleistung eine Nebenleistung bildet. Evtl. teilt die Nebenleistung das steuerliche Schicksal der Hauptleistung. Eine Leistung ist insbesondere dann Nebenleistung, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck darstellt bzw. wenn zwei Einzelleistungen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden.

Im Streitfall sind diese Leistungselemente nach dem Wesen des angebotenen Gesamtpakets so aufeinander abgestimmt, dass sie aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers ihre Selbständigkeit verlieren. Aus der Verbindung dieser beiden unterschiedlichen Leistungselemente bildet sich ein selbständiges „Neues“ mit einem einheitlichen Zweck. Eine Aufspaltung wäre wirklichkeitsfremd. Aus der sportlichen Betätigung „Schwimmen“ kombiniert durch die Erholungskomponente „Saunieren“ entsteht eine neue kombinierte, selbständige Leistung „Schwimmen und Saunieren“. Hierfür spricht auch das angebotene Gesamtpaket mit einheitlichem Eintrittspreis, die Werbemaßnahmen bezogen auf die kombinierte Nutzungsmöglichkeit sowie der im Gesamtpaket – im Vergleich zu Sauna-Marktpreisen – günstige einheitliche Eintrittspreis.

Der ermäßigte Steuersatz kommt nicht in Betracht, weil der Besuch des Schwimmbads im Rahmen eines Gesamtpakets stattfindet und die insoweit einheitliche Leistung den gesetzlichen Rahmen überschreitet. Die Steuersatzermäßigung gilt nur für die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze und nicht für übliche und typische Nebenleistungen. Die Ermäßigung scheidet aus, wenn die Überlassung des Schwimmbads – wie im Streitfall – mit weiteren, nicht begünstigten Einrichtungen im Rahmen einer einheitlichen Leistung erfolgt. Die Saunanutzung ist auch keine übliche bzw. typische Nebenleistung zur Schwimmbadnutzung.

Eine nur teilweise Anwendung einer Steuersatzermäßigung kommt bei einer einheitlichen Leistung, wenn – wie hier – nicht ein Hauptelement und ein oder mehrere Nebenelemente bestimmbar sind, nicht in Betracht.

Nach Überzeugung des FG handelt es sich bei der Einräumung der Nutzungsmöglichkeit der Sauna und des Schwimmbads im Rahmen der einheitlichen Leistung um jeweils gleichwertige Leistungselemente. Denn aus Sicht des beide Leistungen in Anspruch nehmenden Durchschnittsverbrauchers ist in qualitativer Hinsicht weder das Schwimmbad noch die Saunalandschaft von untergeordneter Bedeutung. Auch sprechen bei der vorliegend gerade nicht kleinen Sauna die von der Klägerin ermittelten Nutzerzahlen der Sauna mit 17 % nicht für eine untergeordnete Bedeutung.

3. Nach Außenprüfung: Wie können bestandskräftige Bescheide korrigiert werden?

Die Art und Weise, in der der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen geführt hat, ist eine Tatsache. Dies gilt im Fall der Einnahmenüberschussrechnung nicht nur für Aufzeichnungen über den Wareneingang, sondern ebenso für sonstige Aufzeichnungen und die übrige Belegsammlung.

Hintergrund

Der Kläger betreibt als Einzelunternehmer einen Einkaufsladen. Das Warensortiment umfasst vorwiegend Bau- und Heimwerkerbedarf, ebenso Dekoartikel, Schreibwaren, Zeitungen, Lotterielose, Tabak sowie diverse andere Haushaltswaren. Außerdem kauft und verkauft bzw. vermittelt der Kläger Edelmetall und bietet verschiedene Dienstleistungen an. Seinen Gewinn ermittelt er durch Einnahmenüberschussrechnung.

Der Kläger verwendet eine elektronische Kasse, die auf den täglich ausgedruckten Z-Bons insgesamt 5 Warengruppen (Verkauf 19 %, Verkauf 7 %, Versandhandel, Wäscherei, Lotto) ausweist. Eine weitere Aufgliederung oder Aufzeichnung der Umsätze nach den einzelnen Waren und Dienstleistungen nimmt der Kläger nicht vor. Auf den Z-Bons hat der Kläger gelegentlich handschriftliche Korrekturen vorgenommen.

Außerdem führt der Kläger tägliche Kassenberichte.

Überwiegend entsprachen die Eintragungen im Kassenbericht den Zahlenwerten auf den Z Bons. Soweit der Kläger handschriftliche Korrekturen auf den Z Bons vorgenommen hat, entsprachen die Eintragungen im Kassenbericht teils den korrigierten Zahlen auf den Z Bons, teils wurden die Korrekturen nicht in den Kassenbericht übernommen.

Das Finanzamt hatte den Kläger für die Streitjahre zunächst erklärungsgemäß und ohne Vorbehalt der Nachprüfung zur Einkommensteuer veranlagt.

Nach einer Außenprüfung kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass der Kläger seinen Aufzeichnungspflichten nicht hinreichend nachgekommen sei, weil er nicht sämtliche Geschäftsvorfälle nach der zeitlichen Reihenfolge und mit ihrem richtigen Inhalt festgehalten habe. Es sei nicht erkennbar, ob der Kläger Umsätze zu verschiedenen Steuersätzen zutreffend getrennt und auf die Umsätze den zutreffenden Steuersatz angewendet habe. Zudem müsse ein grundsätzlich nicht zur Führung eines Kassenbuchs verpflichteter Steuerpflichtiger, der – wie der Kläger – ein solches freiwillig führe, die gesetzlichen Anforderungen an ein Kassenbuch erfüllen. Dem genüge das 2013 und 2014 in Form einer nicht gegen nachträgliche Änderungen geschützten Excel-Tabelle erstellte Kassenbuch nicht. Auch könne eine Kassensturzfähigkeit im Nachhinein nicht festgestellt werden. Ferner seien die Geschäftsvorfälle, die den handschriftlichen Korrekturen auf den Z Bons zugrunde lägen, mangels Eigenbelegen nicht nachvollziehbar.

Eine Geldverkehrsrechnung ergab keine ungeklärten Einnahmefehlbeträge.

Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass wegen erheblicher Kassenführungsmängel eine Hinzuschätzung durch Sicherheitszuschlag i. H. v. 10 % der Barerlöse zu erfolgen habe.

Das Finanzamt änderte dementsprechend die Bescheide über Einkommen- und Umsatzsteuer sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2013 bis 2015.

Die nach der erfolglosen Durchführung des Einspruchsverfahrens erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG machte die Erhöhung der Betriebseinnahmen für die Einkommensteuer und die Gewerbesteuermessbeträge für 2013 und 2014 vollständig rückgängig und brachte im Übrigen nur noch einen Sicherheitszuschlag von 5 % der Betriebseinnahmen beziehungsweise Umsätze in Ansatz.

Entscheidung

Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide im Nachgang zu einer Außenprüfung nur dann zulässig ist, wenn sicher feststehe, dass der Steuerpflichtige Betriebseinnahmen nicht aufgezeichnet habe. Der Senat könne auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen aber nicht entscheiden, ob die übrigen Voraussetzungen für eine Änderung des bestandskräftigen Steuerbescheids erfüllt seien.

Rechtfertigender Grund für die Durchbrechung der Bestandskraft sei nicht die Unrichtigkeit der Steuerfestsetzung, sondern der Umstand, dass das Finanzamt bei seiner Entscheidung von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen sei.

Tatsache sei alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein könne, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art.

Die Art und Weise, in der der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen geführt habe, sei eine Tatsache. Dies gelte für Aufzeichnungen über den Wareneingang ebenso wie für sonstige Aufzeichnungen oder die übrige Belegsammlung eines Steuerpflichtigen.

Hieraus folge für den Streitfall, dass namentlich die Art, in der der Kläger seine Bareinnahmen festgehalten habe, der Inhalt der Aufzeichnungen sowie das Vorhandensein der Z Bons und deren Inhalt als Tatsachen anzusehen seien. Ob sich diese Tatsachen auf die Höhe der Steuer auswirkten, sei bei der Prüfung des Merkmals der Rechtserheblichkeit der Tatsache zu untersuchen.

Weitere Voraussetzung für die Änderungsmöglichkeit sei das nachträgliche Bekanntwerden der Tatsache. Sie müsse schon bei Erlass des ursprünglichen Bescheids vorhanden gewesen sein, sodass sie vom Finanzamt bei umfassender Kenntnis des Sachverhalts hätte berücksichtigt werden können.

Das Finanzamt habe die Kläger zunächst erklärungsgemäß zur Einkommensteuer veranlagt. Erst durch die im Jahr 2017 durchgeführte Außenprüfung – und somit nachträglich – habe es von den Kassenaufzeichnungen des Klägers in den Streitjahren sowie von den bei ihm dazu vorhandenen Belegen (Z Bons) und ihrem Inhalt Kenntnis erlangt.

Die Änderung eines Steuerbescheids setze außerdem die Rechtserheblichkeit der nachträglich bekanntgewordenen Tatsache und die Ursächlichkeit der Unkenntnis des Finanzamts von dieser Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung voraus.

Die Art und Weise der Aufzeichnung der Bareinnahmen sowie der Inhalt von vorhandenen Belegen (bzw. der Umstand ihres Fehlens) wären im Streitfall rechtserheblich, wenn das Finanzamt bei vollständiger Kenntnis dieser Tatsachen bereits bei der Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer 2013 und 2014 zur Schätzung befugt gewesen wäre und deswegen eine höhere Steuer festgesetzt hätte. Ob die Voraussetzungen für eine Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen des Klägers in den Streitjahren tatsächlich vorliegen würden, habe das FG bislang allerdings nicht festgestellt.

Sowohl bei Verletzung der Aufbewahrungspflicht als auch bei Verletzung der Aufzeichnungspflicht sei das Finanzamt dem Grunde nach zur Schätzung berechtigt.

Grundsätzlich verdiene eine Einnahmenüberschussrechnung nur bei Vorlage geordneter und vollständiger Belege Vertrauen und könne für sich die Vermutung der Richtigkeit in Anspruch nehmen. Der Steuerpflichtige trage das Risiko, dass das Finanzamt oder das FG die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen könnten und deshalb die Voraussetzungen für eine Schätzung erfüllt seien.

Zur (Hinzu )Schätzung berechtigten auch formelle Mängel der Aufzeichnungen über Bareinnahmen, die zwar keinen sicheren Schluss auf eine Einnahmenverkürzung zuließen, aber dazu führten, dass keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen bestehe, ohne dass eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation bzw. eine anderweitige Heilung des Mangels möglich wäre.

Aufgrund der vom FG bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen könne der Senat nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für eine Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen und damit für eine Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2013 und 2014 vorliegen würden. Die Sache sei daher zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das FG zurückzuverweisen.

4. Steuergeheimnis: Was darf im Außenprüfungsbericht stehen?

Eine Verletzung des Steuergeheimnisses liegt nicht vor, wenn (Roh-)Gewinndaten und Vertriebskosten des Bauträgers von zu sanierenden Wohnungen für die korrekte Berechnung der Absetzung für Abnutzung in einem Prüfungsbericht dargestellt werden und deshalb die Erwerber der Wohnungen und Feststellungsbeteiligten von diesen Daten Kenntnis erlangen könnten.

Hintergrund

Klägerin ist eine Bauträgerin. Ihr Geschäftszweck bestand u. a. im Ankauf von Grundstücken, die mit Mehrfamilienhäusern bebaut waren, deren Aufteilung in Wohnungseigentum, der Sanierung und dem Weiterverkauf der Wohnungen. Zu diesem Zweck schloss sie mit den Erwerbern der Wohnungen Verträge ab, die regelmäßig als Modernisierungswerk- und Kaufverträge bezeichnet wurden. In allen hier streitigen Fällen war zum Zeitpunkt des Abschlusses der jeweiligen notariellen Verträge bereits mit der Sanierung der Wohnungen begonnen worden.

In den streitgegenständlichen Verträgen zwischen der Klägerin und den Käufern wurde einzeln beziffert, welcher Teil des von den Erwerbern gezahlten Kaufpreises auf Grund und Boden, Altbausubstanz und Sanierungs- und Modernisierungskosten entfallen sollte.

Bei einer Außenprüfung kam das Finanzamt bei allen streitgegenständlichen Objekten zu dem Ergebnis, dass die Aufteilung des Kaufpreises auf Grund und Boden, Altbausubstanz und Sanierungs- und Modernisierungskosten zu Lasten des Fiskus unzutreffend erfolgt sei. Insbesondere beanstandete sie, dass der (Roh-)Gewinn der Klägerin vollständig den „Herstellungskosten für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen“ zugerechnet worden sei, obwohl der Erwerb nach Beginn der entsprechenden Maßnahmen erfolgt sei. In diesen Fällen sei die Bemessungsgrundlage für die AfA folglich zu hoch angesetzt worden; denn der insgesamt angefallene Sanierungsaufwand sei auf die Zeit vor beziehungsweise nach Abschluss der jeweiligen notariellen Verträge aufzuteilen.

Die Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts beabsichtigte, entsprechend dieser Auffassung die Prüfungsberichte zu erstellen. Nachdem das Finanzamt der Klägerin den Entwurf der Prüfungsberichte zugeleitet und signalisiert hatte, dass es sich der Auffassung der Außenprüfung anschließen wolle, erhob die Klägerin unter Berufung auf das Steuergeheimnis (vorbeugende) Unterlassungsklage. Sie beantragte u. a. dem Finanzamt zu untersagen, ihre Geschäftsdaten wie Rohgewinn, Vertriebskosten, Bautenstandsüberzahlungen in die bis zum Kaufvertragsabschluss entstandenen Herstellungskosten für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen einzurechnen und in einem Prüfungsbericht auszuwerten.

Das FG wies die Klage ab.

Entscheidung

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Ein Amtsträger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er personenbezogene Daten eines anderen, die ihm unter anderem in einem Verwaltungsverfahren in Steuersachen bekannt geworden sind, unbefugt offenbart oder verwertet. Fremde Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind ausdrücklich geschützt.

Die Auswertung der Geschäftsdaten hinsichtlich des Rohgewinns mit den Vertriebskosten in den Betriebsprüfungsberichten verletzt nicht das Steuergeheimnis der Klägerin.

Bei den im Streitfall betroffenen Daten über den Rohgewinn etc. handelt es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Diese sind dem Betriebsprüfer im Rahmen einer Außenprüfung bekannt geworden und würden durch die Aufnahme in die Prüfungsberichte mit großer Wahrscheinlichkeit Dritten offenbart werden. Denn der Inhalt der Prüfungsberichte ist gegenüber den Erwerbern spätestens im Rahmen eines Einspruchsverfahrens offenzulegen; dies wird durch das Steuergeheimnis nicht eingeschränkt. Die den jeweiligen Einspruchsführer direkt betreffenden Passagen können offengelegt werden.

Im Streitfall ist das Finanzamt zur Offenbarung der Daten befugt.

Die Offenbarung der das Steuergeheimnis betreffenden Verhältnisse eines Dritten ist zulässig, wenn sie u. a. der Durchführung eines Besteuerungsverfahrens dient. Dies ist dann der Fall, wenn die Daten eine Prüfung der in einem solchen Verfahren relevanten Tatbestandsmerkmale ermöglichen, erleichtern oder auf eine festere Grundlage stellen können. Es muss ein unmittelbarer funktionaler Zusammenhang zwischen der Offenbarung und der Verfahrensdurchführung bestehen.

Nach diesen Maßstäben ist das Finanzamt zur Offenbarung der Daten in den Betriebsprüfungsberichten befugt. Denn es besteht ein unmittelbarer funktionaler Zusammenhang zwischen der Offenbarung der streitgegenständlichen Daten und der Berechnung der Höhe der AfA.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht dem Ergebnis, dass die Daten über den Rohgewinn etc. folglich in den Prüfungsberichten zur richtigen Aufteilung der jeweiligen Anschaffungskosten zu erfassen sind und hierdurch nicht das Steuergeheimnis verletzt wird, nicht entgegen. Die streitgegenständlichen Daten sind für die zutreffende Veranlagung der Erwerber erforderlich. Eine Möglichkeit zur zumutbaren anderweitigen Erlangung der dargestellten relevanten Informationen ist nicht ersichtlich. Auch die Klägerin selbst hat keine andere Möglichkeit dargelegt, die für die Feststellungsbescheide maßgeblichen Daten zur Verfügung zu stellen.

5. Welcher Steuersatz gilt für der Überlassung von Parkplätzen an Hotelgäste?

Sind Parkplatzgestellungen an Hotelgäste selbstständige Hauptleistungen zu den ermäßigt zu besteuernden Übernachtungsleistungen und deshalb von der Steuersatzermäßigung ausgenommen? Diese Frage hat der BFH hat dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Hintergrund

Die Klägerin betrieb ein Hotel und Restaurant. Die Gäste des Hotels erhielten zur Übernachtung auch ein Frühstück, das mit jeweils 4,50 EUR verrechnet wurde, soweit ein Gast auf Anfrage nur eine Übernachtung ohne Frühstück in Anspruch nehmen wollte. Hotel und Restaurant verfügten über einen eigenen Parkplatz, der kostenfrei genutzt werden konnte.

Seit Juni 2018 wies die Klägerin für Übernachtung, Frühstück und Parkplatz als einheitliche Leistung den ermäßigten Steuersatz von 7 % aus. Sie erklärte in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Juni 2018 bis Mai 2019 dementsprechende Umsätze.

Nach 2 Außenprüfungen bei der Klägerin für die Monate April 2018 bis Juni 2018 sowie Juli 2018 bis Mai 2019 vertrat die Prüferin die Auffassung, die Leistungen für Frühstück und Parkplatz seien mit dem Regelsteuersatz von 19 % zu besteuern. Bei einer geschätzten Auslastung des Hotels von 70 % seien für das Frühstück 4,50 EUR und für den Parkplatz 1,50 EUR anzusetzen. Hinsichtlich des Parkplatzes nahm die Prüferin für Reisegruppen, Familien und Gäste ohne Fahrzeug einen Abschlag von 20 % vor.

Im Laufe des Einspruchsverfahrens reichte die Klägerin die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2018 ein. Die darin erklärten Umsätze zu 7 % und 19 % entsprachen denen, die den Bescheiden über die Umsatzsteuervorauszahlungen zugrunde lagen. Das Finanzamt wies die Einsprüche als unbegründet zurück.

Das FG wies die Klage ab. Es entschied, das Frühstück und die Parkplatzgestellungen seien keine Nebenleistungen zur Beherbergung, sondern selbstständige Hauptleistungen.

Entscheidung

Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass es sich bei dem Frühstück um eine selbstständige Hauptleistung handelt, während seine tatsächliche Würdigung, auch die Parkplatzgestellung sei eine selbstständige Hauptleistung, revisionsrechtlicher Überprüfung nicht standhält.

Eine Leistung ist nicht als Nebenleistung zur kurzfristigen Vermietung (Beherbergung von Fremden), sondern als Hauptleistung anzusehen, wenn sie der Mieter (hier: Hotelgast) einzeln – wie zum Beispiel nach Anzahl der Frühstücksleistungen oder Parkdauer – hinzubuchen oder abwählen kann und sich hierdurch das Entgelt dementsprechend erhöht oder verringert. In einem solchen Fall sind Leistungen, die neben der Vermietung zur kurzfristigen Beherbergung erbracht werden, grundsätzlich als von dieser getrennt zu betrachten.

Das FG hat nach den vorgenannten Grundsätzen zu Recht angenommen, dass hinsichtlich des Frühstücks, das vom Gast gegen Verrechnung eines Gegenwerts i. H. v. 4,50 EUR jeweils abgewählt werden konnte, eine selbstständige Leistung vorliegt. Da diese selbständige Leistung nicht unter § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG fällt, ist auf das Frühstück im Streitfall der Regelsteuersatz anzuwenden, unabhängig von der Antwort auf die in diesem Verfahren dem EuGH vorgelegte Frage. Eines Rückgriffs auf das Aufteilungsgebot bedarf es insoweit nicht.

Dagegen handelt es sich bei der Überlassung von Parkplätzen an Hotelgäste im Streitfall um eine Nebenleistung zur Beherbergungsleistung, da sie weder hinzugebucht noch abgewählt werden konnte. Sie ist im Streitfall mit der Hauptleistung (Beherbergung) untrennbar verbunden und hat im Streitfall für den Hotelgast keinen eigenen Zweck. Hierfür spricht - anders als das Finanzamt und das FG meinen - insbesondere, dass die Klägerin in keiner Weise danach differenziert, wie der Gast angereist ist.

Die im Ausgangsverfahren zu beurteilende Bereitstellung von Parkplätzen gehört nach der Rechtsprechung des BFH zu den Leistungen, die unter das Aufteilungsgebot fallen und deshalb von der Steuersatzermäßigung ausgenommen sind. Das Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, hat der vorlegende Senat bisher als unionsrechtskonform angesehen. Daran hält er fest.

Der vorlegende Senat ist allerdings der Auffassung, dass aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des EuGH kein „acte clair“ mehr vorliegt. Es ist nicht im Sinne eines „acte clair“ zweifelsfrei, dass diese Deutung der Rechtsprechung des EuGH durch den Senat zutreffend ist.

Der EuGH hat entschieden, dass eine einheitliche Leistung, die aus 2 separaten Bestandteilen, einem Haupt- und einem Nebenbestandteil, besteht, für die bei getrennter Erbringung unterschiedliche Mehrwertsteuersätze gälten, nur zu dem für diese einheitliche Leistung geltenden Mehrwertsteuersatz zu besteuern ist, der sich nach dem Hauptbestandteil richtet, und zwar auch dann, wenn der Preis jedes Bestandteils, der in den vom Verbraucher für die Inanspruchnahme dieser Leistung gezahlten Gesamtpreis einfließt, bestimmt werden kann.

Diese Formulierung könnte auch dahin verstanden werden, dass bei einheitlichen Leistungen Steuersatzunterschiede jeglicher Art unionsrechtlich verboten sind. Bei dieser Sichtweise könnte § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG unionsrechtswidrig sein. Der Grundsatz, dass die unselbstständige Nebenleistung stets das Schicksal der Hauptleistung zu teilen hat, könnte das Aufteilungsgebot verdrängen.

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1. Was gilt bei nicht ausgezahlten Tantiemen bei beherrschendem Gesellschafter-Geschäftsführer?

Tantiemeforderungen, die in den festgestellten Jahresabschlüssen nicht ausgewiesen sind, fließen dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zu, auch wenn eine dahingehende Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung in den festgestellten Jahresabschlüssen hätte gebildet werden müssen.

Hintergrund

Der Kläger ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH. Laut Geschäftsführervertrag erhält er für seine Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt. Des Weiteren ist ihm darin eine Tantieme i. H. v. 20 % des Jahresgewinns zugesagt, die einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung zu zahlen und der Höhe nach auf maximal 30 % der Festvergütung begrenzt ist.

Die vereinbarten Tantiemen wurden dem Kläger in den Streitjahren (2015 bis 2017) weder ausgezahlt noch hat die GmbH in den Jahresabschlüssen entsprechende Passivposten gebildet.

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre gab der Kläger Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit ohne Tantiemen an. Das Finanzamt ging davon aus, dass auch die nicht ausgezahlten Tantiemen jeweils in der vereinbarten Höhe von 20 % des Gewinns des Vorjahres vom Kläger als Arbeitslohn zu versteuern seien. Denn bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer gälten Tantiemen zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung als zugeflossen. Ob sie tatsächlich ausgezahlt worden seien, sei unerheblich, da es der Gesellschafter-Geschäftsführer selbst in der Hand habe, sich die Tantiemen auszahlen zu lassen.

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das FG statt.

Entscheidung

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Nach ständiger Rechtsprechung trete der Zufluss mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ein. Das sei i. d. R. der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolgs. Geldbeträge flössen danach zu, wenn sie dem Empfänger bar ausbezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben würden.

Der BFH gehe zudem in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern ein Zufluss von Einnahmen auch ohne Zahlung oder Gutschrift vorliegen könne. Danach flössen dem alleinigen oder jedenfalls beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen „seine“ Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu. Denn ein beherrschender Gesellschafter habe es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig sei. Allerdings würden von dieser Zuflussfiktion nur Gehaltsbeträge und sonstige Vergütungen erfasst, die die Kapitalgesellschaft den sie beherrschenden Gesellschaftern schulde und die sich bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt hätten. Fällig werde der Anspruch auf Tantiemen erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses, sofern die Vertragsparteien nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit im Anstellungsvertrag vereinbarten.

Die GmbH habe die Tantiemeforderungen des Klägers in ihren Jahresabschlüssen nicht als Verbindlichkeit abgebildet. Diese Jahresabschlüsse habe die Gesellschafterversammlung der GmbH entsprechend festgestellt. Folglich seien die streitigen Tantiemeansprüche nicht fällig. Ob die dahingehenden Verbindlichkeiten nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung hätten passiviert werden müssen, sei insoweit unerheblich. Denn ein dahingehender Pflichtenverstoß könne die Fälligkeit einer im festgestellten Jahresabschluss nicht enthaltenen Tantiemeforderung nicht begründen. Deshalb sei insoweit auch ohne Bedeutung, ob die fehlende Passivierung einer Verbindlichkeit einem Buchungsfehler geschuldet sei, oder ob eine Bilanzierung aus anderen Gründen von vornherein nicht in Betracht komme, etwa weil die Tantiemezusage vor der Entstehung der darin vereinbarten Tantiemeansprüche einvernehmlich aufgehoben worden sei.

Die Feststellungen des FG reichten allerdings nicht aus, um entscheiden zu können, ob dem Kläger die Forderungswerte der Tantiemeansprüche zugeflossen seien, weil er durch einen Verzicht auf seine Tantiemeansprüche eine verdeckte Einlage in die GmbH erbracht habe.

Es fehle vorliegend an Feststellungen des FG, warum die Tantiemen nicht ausgezahlt bzw. entsprechende Forderungen des Klägers nicht als Verbindlichkeiten passiviert worden seien.

Insbesondere sei aus den Akten nicht zu erkennen, ob der Kläger einvernehmlich mit der GmbH die Tantiemezusage vor der Entstehung der Tantiemeansprüche zum jeweiligen Jahresende aufgehoben habe, oder ob der Kläger auf die bereits entstandenen Tantiemeansprüche verzichtet habe. Nur in letzterem Fall wäre eine verdeckte Einlage der Forderungswerte der Tantiemeansprüche in die GmbH zu bejahen.

Das FG wird im zweiten Rechtsgang festzustellen haben, ob und falls ja, wann der Kläger auf die in dem Geschäftsführervertrag vereinbarten Tantiemeansprüche gegenüber der GmbH verzichtet habe.

 


"Die Entscheidung zeigt einmal mehr, wie wichtig die Überwachung der Auszahlung einer vereinbarten Tantieme bzw. das Hinwirken auf deren Berücksichtigung im Jahresabschluss der Gesellschaft ist - selbst im Falle eines Alleingesellschafters."

— Matthias Herz, Anwalt für Gesellschaftsrecht bei unserer Partnerkanzlei moonlaw

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1. Begrenzung der rückwirkenden Auszahlung von Kindergeld: Auch für Zeiträume vor dem 18.7.2019?

Für Kindergeldanträge, die nach dem 18.7.2019 gestellt werden, wird Kindergeld nur für die letzten 6 Monate vor Antragstellung ausgezahlt. Dies gilt auch für Zeiträume vor dem 18.7.2019.

Hintergrund

Der Kläger beantragte am 5.8.2019 die Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes für die Zeit vom August 2018 bis Oktober 2019 für das Kind A.

Mit Bescheid vom 7.5.2020 setzte die Familienkasse das Kindergeld für das Kind A für den beantragten Zeitraum August 2018 bis einschließlich Oktober 2019 fest.

Jedoch wurde die Auszahlung auf den Zeitraum Februar 2019 bis Oktober 2019 begrenzt – für den Zeitraum August 2018 bis einschließlich Januar 2019 wurde keine Auszahlung verfügt.

Hiergegen wandte sich der Kläger und begehrte, die 6- Monatsfrist für Kindergeldzeiträume vor dem 18.7.2019 nicht anzuwenden, auch wenn er den Kindergeldantrag nach diesem Stichtag gestellt hatte.

Dem folgte die Familienkasse nicht.

Das FG schloss sich der Auffassung des Klägers nicht an.

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.

Für Kindergeldanträge, die nach dem 18.7.2019 eingehen, kommt 6-Monatsfrist zur Anwendung. Danach erfolgt die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld nur für die letzten 6 Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist (Ausschlussfrist).

Für die Anwendung der Ausschlussfrist kommt es nur auf den Zeitpunkt des Antragseingangs („nach dem 18.7.2019“) und nicht auf die Entstehung des Kindergeldanspruchs an.

Nach Auffassung des BFH ist diese zeitliche Grenze nicht willkürlich; vielmehr lässt sie sich sachlich rechtfertigen. Hierdurch sollen realisierbare Kindergeldansprüche vor Festsetzungsverjährung verhindert werden, die sich aus Änderungen der Rechtsprechung ergeben.

Die Ausschlussfrist liegt innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers und ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Kindergeldberechtigte wird durch diese Regelung nicht daran gehindert, einen Kindergeldantrag zeitnah zu stellen.

2Recht auf Einsicht in Steuerakten?

Die Einsichtnahme in Steuerakten nach Durchführung des Besteuerungsverfahrens ist zwar ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige hiermit steuerverfahrensfremde Zwecke verfolgen will. Hiervon unberührt bleibt aber ein Auskunftsanspruch über die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Maßgabe der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Hintergrund

Das Finanzamt hatte gegen die Kläger Einkommensteuer für 2015 festgesetzt. Nach Bestandskraft des Bescheids beantragten sie Einsicht in die für sie geführte Einkommensteuerakte. Sie führten an, ihr damaliger Steuerberater habe sie nicht über den Gang des Veranlagungsverfahrens informiert. Die Kläger erwogen, einen Schadenersatzanspruch gegen den Steuerberater geltend zu machen.

Das Finanzamt lehnte den Antrag – zuletzt mit Einspruchsentscheidung – ab. Die AO sehe für das Verwaltungsverfahren kein Akteneinsichtsrecht vor. Auch die Voraussetzungen eines übergesetzlichen, im Ermessen der Verwaltung stehenden Einsichtsrechts lägen nicht vor. Die Kläger hätten hierfür kein berechtigtes Interesse dargelegt, zumal sich ein solches nicht aus der Prüfung von Regressansprüchen ergebe. Der Umstand, dass die Akteneinsicht erst nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids beantragt worden sei, führe zudem dazu, dass der Antrag zwingend abzulehnen sei.

Hiergegen erhoben die Kläger Klage. Während des Klageverfahrens beantragten die Kläger beim Finanzamt nach der DSGVO die Einsichtnahme in die Einkommensteuerakte. Auch diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab.

Das FG gab der Klage statt.

Entscheidung

Der BFH entscheidet, dass die Revision begründet ist, soweit das FG den Klägern ein Einsichtsrecht in die für sie geführte Einkommensteuerakte des Veranlagungszeitraums 2015 zugesprochen hat. Insoweit ist das angefochtene Urteil aufzuheben und, da die Sache spruchreif ist, die Klage abzuweisen. Im Übrigen ist die Revision unbegründet und daher zurückzuweisen.

Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, den Klägern stehe infolge einer Ermessensreduzierung auf null ein Anspruch auf Einsichtnahme in die beim Finanzamt für sie geführte Einkommensteuerakte des Veranlagungszeitraums 2015 zu.

Die Kläger hätten Akteneinsicht nicht während des Veranlagungsverfahrens zur Einkommensteuer des Jahres 2015, sondern erst in dessen Nachgang, d. h., nach Eintritt der Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung beantragt. Der einer Akteneinsicht innewohnende Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs werde in diesem – nachgelagerten – Stadium grundsätzlich nicht mehr berührt.

Frei von Rechtsfehlern habe das FG den Klägern dem Grunde nach jedoch ein Auskunftsrecht nach der DSGVO zuerkannt. Der sachliche Anwendungsbereich dieser Norm sei eröffnet. Ausschlussgründe für einen Auskunftsanspruch lägen indes nicht vor.

Dass das Finanzamt im Zuge der Einkommensteuerveranlagung für 2015 die Kläger betreffende personenbezogene Daten verarbeitet habe, bedürfe keiner weitergehenden Erörterung. Zudem sei der Anwendungsbereich der DSGVO nicht auf den Bereich der harmonisierten Steuern beschränkt. Ebenso wenig stehe der Anwendung der DSGVO entgegen, dass die personenbezogenen Daten der Kläger in einer Akte enthalten seien, die vom Finanzamt noch in Papierform geführt worden sei oder werde.

Schließlich stehe dem Auskunftsrecht nach der DSGVO nicht entgegen, dass die Kläger mit ihrem auf diese Norm gestützten Begehren ersichtlich keine datenschutzrelevanten Gründe verfolgten. Nach der Rechtsprechung des EuGH müsse die betroffene Person ihren Antrag auf Auskunft nicht begründen, was zugleich bedeute, dass er auch nicht zurückgewiesen werden könne, wenn mit ihm ein anderer Zweck verfolgt werde als der, von der Verarbeitung Kenntnis zu nehmen und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

Das Steuergeheimnis werde im Streitfall nicht berührt. Zu schützen seien die personenbezogenen Daten „eines anderen“, mithin fremde personenbezogene Daten. Die eigenen Daten des Steuerpflichtigen seien konsequenterweise ihm gegenüber nicht geschützt. Hierüber sei ihm Auskunft zu erteilen, wenn die Daten nicht zugleich die personenbezogenen Daten eines Dritten seien. Zwar könnten auch die Daten eines steuerlichen Beraters dem Geheimnisschutz unterliegen. Dies gelte aber nicht für Daten, die ein Bevollmächtigter für den Steuerpflichtigen an die Finanzbehörde übermittelt habe.

3. Solidarverein: Beiträge als Sonderausgaben abzugsfähig?

Beiträge an einen Solidarverein zur Erlangung von Krankenversicherungsschutz sind als Sonderausgaben abzugsfähig, wenn sich aus der Auslegung der Satzung und den weiteren Gesamtumständen ein Rechtsanspruch der Mitglieder auf Leistungen ergibt.

Hintergrund

Die Steuerpflichtigen zahlten an einen Solidarverein Beiträge für ihre Absicherung im Krankheits- und Pflegefall. Bei diesem Verein handelt es sich um eine aufsichtsfreie Personenvereinigung und nicht um eine Krankenkasse oder Krankenversicherung. In der Satzung ist geregelt, dass sich die Mitglieder gegenseitig rechtlich verbindlich eine umfassende flexible Krankenversorgung zusichern, die in Quantität und Qualität mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht.

Die Höhe der von den Mitgliedern zu leistenden Beiträge ist einkommensabhängig. Nach der Zuwendungsordnung besteht freie Therapiewahl und es wird ein Zuwendungsrahmen festgelegt, der Obergrenzen für einzelne Behandlungsleistungen enthält. Im Aufnahmebogen des Vereins ist die Formulierung enthalten, dass kein Rechtsanspruch auf bestimmte Leistungen besteht.

Das Finanzamt ließ den hinsichtlich der Beiträge geltend gemachten Sonderausgabenabzug mit der Begründung nicht zu, es fehle an einem Rechtsanspruch auf Leistungen.

Entscheidung

Das FG entschied, dass für die im Streitjahr durch die Steuerpflichtigen an einen Verein zur Krankenabsicherung geleisteten Beträge die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug vorlagen. Im Einzelnen begründete es seine Entscheidung wie folgt:

Die durch die Steuerpflichtigen an den Verein zur Vorsorge für den Krankheitsfall geleisteten Beiträge sind zur Erlangung eines durch das SGB XII bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich.

Die Mitglieder des Vereins haben gegen ihn auch einen rechtlich verbindlichen Anspruch auf Leistungen im Krankheitsfall.

Die Steuerpflichtigen hatten im Streitjahr die streitbefangenen Beiträge zur Vorsorge für den Krankheitsfall auch an einen der im Gesetz genannten Empfänger geleistet. Danach werden Krankenversicherungsbeiträge nur berücksichtigt, wenn es sich um Beiträge an eine Einrichtung handelt, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall oder eine der Beihilfe oder freien Heilfürsorge vergleichbare Absicherung gewährt. Das ist im Streitfall im Hinblick auf den Verein, der im Streitjahr kein Versicherungsunternehmen war und auch keine Genehmigung zum Geschäftsbetrieb im Inland aufwies, der Fall.

Schließlich hatten die Steuerpflichtigen gegenüber dem Verein als Beitragsempfängerin auch in die Datenübermittlung eingewilligt.

Dagegen verneinte das FG den Sonderausgabenabzug der durch die Steuerpflichtigen gegenüber dem Verein für die Pflegevorsorge aufgewendeten Beträge als Sonderausgaben. Denn nur „Beiträge zu den gesetzlichen Pflegeversicherungen (soziale Pflegeversicherung und private Pflicht-Pflegeversicherung)“ sind abziehbar. Der Verein gehört jedoch weder zu den Trägern der sozialen Pflegeversicherung noch bietet er eine private Pflicht-Pflegeversicherung an.

4. Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastungen: Was zählt zum Schonvermögen und was nicht?

Die Wertgrenze i. H. v. 15.500 EUR für „ein geringes Vermögen“ (sog. Schonvermögen) ist für das Streitjahr 2019 nicht zu beanstanden. Angesparte und noch nicht verbrauchte Unterhaltsleistungen werden grundsätzlich erst nach Ablauf des Kalenderjahres ihres Zuflusses zu (abzugsschädlichem) Vermögen.

Hintergrund

Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2019 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie im Zeitraum 1.1. bis 30.9.2019 geleistete Unterhaltszahlungen an ihren während dieser Zeit auswärts studierenden Sohn (S) i. H. v. 10.537 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die Unterhaltszahlungen setzten sich aus Mietzahlungen i. H. v. 3.905 EUR, Zahlungen für den Lebensunterhalt i. H. v. 4.500 EUR (mtl. 500 EUR) sowie für Bekleidung i. H. v. 690 EUR (mtl. 76,69 EUR), Zahlungen für die Kranken- und Pflegeversicherung i. H. v. 1.123 EUR sowie die Zahlung für die Einschreibegebühr der Universität i. H. v. 319 EUR zusammen.

Den Lebensunterhalt (500 EUR) für den Monat Januar überwiesen die Kläger S bereits am 28.12.2018.

Nachdem das Finanzamt die Kläger im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung aufgefordert hatte, die einzelnen Zahlungen sowie das Vermögen des Sohnes durch geeignete Unterlagen nachzuweisen, ergaben sich aus den vorgelegten Bestätigungen der Sparkasse für die Konten des S Saldenstände von 15.950,91 EUR (1.1.2019) bzw. 16.216,95 EUR (30.9.2019).

Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der von den Klägern geltend gemachten Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastungen ab, weil S ausweislich der Saldenbestätigungen der Sparkasse über mehr als den Betrag von 15.500 EUR verfügt und damit nicht nur ein geringes Vermögen besessen habe.

Das FG folgte der Auffassung des Finanzamts und wies die erhobene Klage ab.

Im Revisionsverfahren begehrten die Kläger die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen i. H. v. 9.414 EUR sowie Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung ihres Sohnes i. H. v. 1.123 EUR als außergewöhnliche Belastungen.

Entscheidung

Der Gesetzgeber geht typisierend davon aus, dass eine Unterhaltsbedürftigkeit nicht gegeben ist und damit Unterhaltsaufwendungen nicht zwangsläufig anfallen, wenn der Empfänger eigenes, nicht nur geringfügiges Vermögen hat. Denn der Unterhaltsberechtigte steht grundsätzlich in der Pflicht, eigenes Vermögen im Rahmen des Zumutbaren für seinen Unterhalt einzusetzen und zu verwerten, und zwar ungeachtet der Art der Anlage gegebenenfalls auch durch Substanzverbrauch.

Ob der Unterhaltsempfänger über kein oder nur ein geringes Vermögen verfügt (sog. Schonvermögen), ist unabhängig von der Anlageart nach dem gemeinen Wert des Vermögens beziehungsweise dessen Verkehrswert zu entscheiden; ein Wert von bis zu 15.500 EUR ist in der Regel gering.

An dieser, von den Finanzbehörden bereits seit 1975 angewandten Wertgrenze, an der sich bislang auch die finanzgerichtliche Rechtsprechung orientiert hat, hält der BFH auch für das Streitjahr 2019 fest.

Denn ein Vermögen oberhalb dieser Wertgrenze lässt die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers bei typisierender (steuerlicher) Betrachtung auch im Jahr 2019 entfallen. Dies folgt aus dem Umstand, dass dieser Betrag deutlich über dem für den Veranlagungszeitraum 2019 geltenden Grundfreibetrag i. H. v. 9.168 EUR liegt und damit zur Sicherung des (Jahres-)Existenzminimums des Unterhaltsberechtigten ausreicht.

Nach diesen Rechtsgrundsätzen sind die von den Klägern geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

So ist unstreitig, dass S gegenüber den Klägern im Streitjahr zivilrechtlich unterhaltsberechtigt war. Auch stand weder den Klägern noch einem Dritten für S ein Anspruch auf einen Freibetrag für Kinder oder auf Kindergeld zu.

Überdies verfügte S entgegen der Auffassung des Finanzamts im maßgeblichen Zeitraum vom 1.1. bis 30.9.2019 lediglich über ein geringes Vermögen. Denn auf Basis der vorgelegten Saldenbestätigungen der Sparkasse lag es nach Bereinigung um Unterhaltsleistungen unterhalb der nach den vorstehenden Ausführungen maßgeblichen Wertgrenze von 15.500 EUR.

Unterhaltsleistungen sind nicht in die Berechnung des Vermögens einzubeziehen. Denn es handelt sich hierbei um die notwendigen Mittel zur Deckung des Lebensbedarfs. Sie sind zum Verbrauch bestimmt und nicht zur Vermögensbildung vorgesehen. Unterhaltszahlungen lassen die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers nicht entfallen, sie sind ihr vielmehr geschuldet. Dies gilt auch für solche Unterhaltszahlungen, die vom Unterhaltsempfänger bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraums beziehungsweise bis zum unterjährigen Ende der gesetzlichen Unterhaltspflicht angespart und noch nicht verbraucht werden. Gesetzliche Unterhaltszahlungen, die dazu gedacht sind, eine zivilrechtlich unterhaltsberechtigte Person dazu zu befähigen, die Kosten ihres Lebensunterhalts zu bestreiten, können vor diesem Hintergrund nicht bereits im Zeitpunkt des Zuflusses dem (abzugsschädlichen) Vermögen zugeordnet werden.

Angesparte und noch nicht verbrauchte Unterhaltsleistungen werden grundsätzlich erst nach Ablauf des Kalenderjahres ihres Zuflusses zu (abzugsschädlichem) Vermögen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Unterhaltsleistungen regelmäßig nicht monatsgetreu, sondern im Jahresverlauf schwankend verbraucht werden.

Nach diesen Maßstäben ist das vom Finanzamt ermittelte Vermögen des S jeweils um die monatlichen Unterhaltszahlungen der Kläger – und damit um die Beträge für den Lebensunterhalt (mtl. 500 EUR) und für Bekleidung (mtl. 76,69 EUR) – zu mindern. Die Miete wurde von den Klägern unmittelbar an die Vermieterin gezahlt und war daher nicht zu berücksichtigen.

Die Minderung des Vermögens des S ist auch im Hinblick auf die bereits am 28.12.2018 von den Klägern geleistete Zahlung für den Lebensunterhalt für Januar 2019 vorzunehmen. Die Zahlung gilt dem S als im Kalenderjahr 2019 zugeflossen. Sie gehört auch wirtschaftlich betrachtet zum Streitjahr, da laufender Kindesunterhalt zivilrechtlich durch Entrichtung einer Geldrente im Voraus zu leisten ist. Somit ist das für den 1.1.2019 auf Basis der Banksalden errechnete Vermögen jedenfalls um 500 EUR zu mindern, sodass S zu Beginn des Streitjahres ein Vermögen i. H. v. maximal 15.450,91 EUR besaß.

Dieses Vermögen ist im streitigen Zeitraum auch nicht auf einen Betrag von über 15.500 EUR angewachsen. Der vom Finanzamt auf Basis der Banksalden errechnete Vermögenszuwachs des S beruht allein auf „unschädlich“ angesparten Beträgen aus nicht verbrauchten Unterhaltszahlungen des Streitzeitraums. Denn es ist nicht ersichtlich, dass im maßgeblichen Zeitraum Zuführungen aus anderen Quellen (wie z. B. aus Schenkungen oder Arbeitseinkünften) in das Vermögen des S erfolgt sind.

Die Unterhaltsaufwendungen der Kläger sowie ihre Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung des Sohnes können indes nur i. H. v. insgesamt 7.999 EUR als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, sodass die Klage in Höhe diesen überschreitenden Betrags abzuweisen war.

Unterhaltsaufwendungen können bis zur Höhe des Grundfreibetrags – im Streitjahr 9.168 EUR – abgezogen werden. Dieser Höchstbetrag ermäßigt sich um 3/12 auf 6.876 EUR, da die Kläger die Unterhaltsaufwendungen nur während des Studiums ihres Sohnes in den Monaten Januar bis September getragen haben. Der Höchstbetrag erhöht sich noch um die von den Klägern in den Monaten Januar bis September aufgewandten Beiträge für die Basisabsicherung der Kranken- und Pflegeversicherung des S i. H. v. 1.123 EUR und beträgt damit insgesamt 7.999 EUR.

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1. Energiepreispauschale darf besteuert werden

Die im Jahr 2022 an Arbeitnehmer ausgezahlte Energiepreispauschale in Höhe von 300 EUR gehört zu den steuerbaren Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Der zugrunde liegende § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG ist nicht verfassungswidrig.

Hintergrund

Der Kläger erhielt im Jahr 2022 von seinem Arbeitgeber die Energiepreispauschale (EPP) i. H. v. 300 EUR ausgezahlt. Das Finanzamt berücksichtigte diese im Einkommensteuerbescheid für 2022 als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Im Einspruchsverfahren und sodann im Klageverfahren machte der Kläger geltend, dass die Energiepreispauschale keine steuerbare Einnahme sei. Es handele sich um eine Subvention des Staates, die in keinem Veranlassungszusammenhang zu seinem Arbeitsverhältnis stehe. Sein Arbeitgeber sei lediglich als Erfüllungsgehilfe für die Auszahlung der Subvention tätig geworden.

Entscheidung

Das FG Münster hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung führt es aus, dass der Gesetzgeber die Energiepreispauschale in § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG konstitutiv den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zugeordnet habe. Auf einen Veranlassungszusammenhang mit der eigenen Arbeitsleistung komme es daher nicht mehr an.

§ 119 Abs. 1 Satz 1 EStG sei auch verfassungsgemäß. Für die dort geregelte Besteuerung der Energiepreispauschale sei der Bundesgesetzgeber gemäß Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG zuständig gewesen, da ihm die Einkommensteuer (teilweise) zufließe.

Auch der Vortrag des Klägers, dass die Regelungen zur Energiepreispauschale systemwidrig seien bzw. sich nicht in das bestehende System des EStG einfügen würden, lässt nach Auffassung des FG keinen Verfassungsverstoß erkennen. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers erstrecke sich auch darauf, den Tatbestand der der Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte frei zu gestalten und den Umfang der Einkunftsarten selbst festzulegen. Es stand ihm daher frei, die Zuordnung der Energiepreispauschale zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit vorzunehmen und dies durch Rechtsfolgenverweis konstitutiv festzuschreiben. Selbst wenn man hierfür eine Rechtfertigungsbedürftigkeit annehmen wollte, läge dieser Entscheidung wiederum der Zweck der sozial gerechten Verteilung der Energiepreispauschale zugrunden.

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1. Baufälliges Denkmal: Kein Grundsteuererlass

Bei der Sanierung eines baufälligen Denkmals besteht kein Anspruch auf Erlass der Grundsteuer.

Hintergrund

Im Jahr 2012 erwarb der Kläger ein Grundstück, das mit einem barocken Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert bebaut ist. Er sollte für das Kalenderjahr 2022 Grundsteuer B i. H. v. 110,60 EUR bezahlen. Der Kläger stellte den Antrag auf Erlass der Grundsteuer, weil die Erhaltung des Gebäudes wegen seiner Denkmaleigenschaft im öffentlichen Interesse liege und für ihn unrentabel sei. Der Antrag wurde abgelehnt mit der Begründung, die Unrentabilität des Gebäudes wäre nicht hinreichend belegt worden.

Der Kläger wehrte sich hiergegen und begründete, er habe denkmalschutzbedingte Sanierungsmaßnahmen vorgenommen, u. a. das Fachwerk freigelegt. Er gab an, dass er ohne die Denkmaleigenschaft das Gebäude abgerissen und das Grundstück anderweitig verwertet hätte. Außerdem seien Rückstellungen für weitere Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Der Kläger erklärte, er hätte aus Rentabilitätsgründen überwiegend Eigenleistungen erbracht. Inzwischen könne er Mieteinnahmen in angemessener Höhe erzielen, dennoch sei ihm ein Verlust entstanden.

Entscheidung

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Gericht entschied, dass die Voraussetzungen für einen Erlass der Grundsteuer nicht vorliegen. Ein Erlass ist nur vorgesehen für Grundbesitz, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liegt, wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) i. d. R. unter den jährlichen Kosten liegen. Dies sei im aktuellen Fall nicht gegeben.

2. Eilanträge zum neuen Grundsteuer- und Bewertungsrecht erfolgreich

Die Bewertungsvorschriften der §§ 218 ff. BewG sind bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung verfassungskonform dahin auszulegen, dass auf der Ebene der Grundsteuerwertfeststellung im Einzelfall der Nachweis eines niedrigeren (gemeinen) Werts erfolgen kann.

Hintergrund

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Der Bodenrichtwert für das 351 qm große und mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück betrug zum 1.1.2022 125 EUR pro qm.

In ihrer Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts gab die Antragstellerin als Art des Grundstücks „Einfamilienhaus“ an, das erstmals vor 1949 bezugsfertig gewesen sei und über eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 72 qm verfüge.

Mit Bescheid vom 28.12.2022 stellte das Finanzamt den Grundsteuerwert der wirtschaftlichen Einheit zum 1.1.2022 auf 91.600 EUR fest. Diesen Betrag ermittelte das Finanzamt aus der Summe des kapitalisierten Reinertrags des Grundstücks und des abgezinsten Bodenwerts.

Gegen den Bescheid vom 28.12.2022 legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Den Antrag auf AdV lehnte das Finanzamt ab. Den gegen die Ablehnung der AdV eingelegten Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück, da der festgestellte Grundsteuerwert und der Grundsteuermessbetrag zutreffend nach den gesetzlichen Regelungen ermittelt worden seien. Bei der Bewertung für Grundsteuerzwecke handele es sich um eine typisierte Bewertung, die keine individuelle Verkehrswertermittlung in Bezug auf das Objekt darstelle.

Die Antragstellerin stellte daraufhin einen Antrag auf AdV beim FG, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass seit dem Baujahr des Einfamilienhauses im Jahr 1880 keine wesentlichen Renovierungen vorgenommen worden seien. Der festgestellte Grundsteuerwert sei daher gemessen am Wert des Hauses zu hoch.

Das FG hat die Vollziehung des Grundsteuerwertbescheids ausgesetzt und die Beschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen, die vom Finanzamt auch eingelegt wurde.

Entscheidung

Der BFH hat entschieden, dass die Beschwerde des Finanzamts unbegründet ist. Zu Recht hat das FG den angefochtenen Feststellungsbescheid über den Grundsteuerwert von der Vollziehung ausgesetzt, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen.

Der BFH hat einfachrechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 28.12.2022 in Bezug auf die Höhe des festgestellten Grundsteuerwerts. Die Zweifel ergeben sich daraus, dass dem Steuerpflichtigen bei verfassungskonformer Auslegung der Bewertungsvorschriften die Möglichkeit eingeräumt werden muss, bei einer Verletzung des Übermaßverbots einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen.

Bei der Neuregelung der Grundsteuer hat der Gesetzgeber allein an das Innehaben von Grundbesitz und die damit verbundene (abstrakte) Leistungskraft angeknüpft, ohne dass es auf die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, die Ausdruck seiner subjektiven Leistungsfähigkeit sein können, ankommt. Belastungsgrund ist nach der gesetzgeberischen Vorstellung die durch den Grundbesitz vermittelte Möglichkeit einer ertragsbringenden Nutzung, die sich im Sollertrag widerspiegelt und eine objektive Leistungsfähigkeit vermittelt.

Eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügende und das daraus folgende Übermaßverbot beachtende Besteuerung ist wegen dieser Belastungsgrundentscheidung des Gesetzgebers daher grundsätzlich nur dann gewährleistet, wenn sich das Gesetz auf der Bewertungsebene am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel orientiert und den Sollertrag mittels einer verkehrswertorientierten Bemessungsgrundlage bestimmt.

Soweit sich im Einzelfall ein Unterschied zwischen dem gem. §§ 218 ff. BewG ermittelten Wert und dem gemeinen Wert ergibt, ist dies aufgrund der typisierenden und pauschalierenden Wertermittlung des Bewertungsgesetzes, die notwendigerweise mit Ungenauigkeiten verbunden ist, grundsätzlich hinzunehmen.

Verfassungsgemäß ist solch eine typisierende Regelung aber nur solange, wie ein Verstoß gegen das Übermaßverbot im Einzelfall entweder durch verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift oder durch eine Billigkeitsmaßnahme abgewendet werden kann.

Das Übermaßverbot kann insbesondere dann verletzt sein, wenn sich der festgestellte Wert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist. Nach der bisherigen Rechtsprechung setzt dies regelmäßig voraus, dass der vom Finanzamt festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt.

Der BFH hat zu verschiedenen typisierenden Bewertungsnormen entschieden, dass bei Ausschluss von Billigkeitsmaßnahmen in verfassungskonformer Auslegung der betreffenden Vorschriften der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das grundgesetzliche Übermaßverbot zuzulassen ist, wenn der Gesetzgeber einen solchen Nachweis nicht ausdrücklich geregelt hat.

Besteht die Möglichkeit einer solchen verfassungskonformen Auslegung, sind die pauschalierenden und typisierenden Bewertungsvorschriften nicht verfassungswidrig. Vielmehr ist dem Einwand möglicher verfassungswidriger Überbewertungen durch Anwendung dieser Vorschriften grundsätzlich der Boden entzogen.

Diese Rechtsprechungsgrundsätze sind bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen und zugleich ausreichenden summarischen Prüfung auf die Bewertung nach dem Siebenten Abschnitt des Bewertungsgesetzes, die eine abweichende Wertfeststellung aus Billigkeitsgründen nicht vorsieht, zu übertragen, sodass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung im konkreten Einzelfall der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts in verfassungskonformer Auslegung der §§ 218 ff. BewG im Hauptsacheverfahren gelingt.

Vor diesem Hintergrund erscheint es bei summarischer Prüfung im Streitfall zumindest möglich, dass der im angefochtenen Grundsteuerwertbescheid nach dem typisierten Bewertungsverfahren festgestellte Wert erheblich von dem gemeinen Wert der wirtschaftlichen Einheit abweicht und ein entsprechender Nachweis dieser Abweichung – beispielsweise durch ein Sachverständigengutachten – geführt werden kann.

3. Steuerbefreite Photovoltaikanlagen: Investitionsabzugsbeträge können rückgängig gemacht werden

Die Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen für die Anschaffung von ab dem Jahr 2022 steuerbefreiten Photovoltaikanlagen, welche zum Wegfall der eingetretenen Steuerminderung führt, ist nicht zu beanstanden.

Hintergrund

Der Antragsteller bildete im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2021 für die geplante Anschaffung einer Photovoltaikanlage auf seinem Einfamilienhaus einen steuermindernden Investitionsabzugsbetrag. Im November 2022 schaffte er die Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 11,2 kWp an. Der Gesetzgeber stellte jedoch mit dem Jahressteuergesetz vom 17.12.2022 rückwirkend zum 1.1.2022 u. a. Einnahmen aus Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern mit einer Leistung von bis zu 30 kWp steuerfrei.

Das Finanzamt machte daher den bislang für 2021 gewährten Investitionsabzugsbetrag rückgängig, was zum Wegfall der eingetretenen Steuerminderung und für den Antragsteller zu einer Nachzahlung führte. Da das Finanzamt die Aussetzung der Steuernachzahlung von der Vollziehung bis zur Entscheidung über seinen Einspruch ablehnte, hat der Antragsteller beim FG die Aussetzung der Vollziehung beantragt, da die Streichung des Investitionsabzugsbetrags unzulässig sei.

Er habe sich vor der Gesetzesänderung zur Anschaffung der Photovoltaikanlage entschlossen und darauf vertraut, Einkommensteuern zu sparen.

Entscheidung

Das FG hat entschieden, dass die Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags zulässig sei. Es bestehe kein besonderes Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da ihm durch die nachträgliche Streichung keine irreparablen Nachteile drohten. Die Rückgängigmachung sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es gebe keinen besonderen Schutz der Erwartung, dass die bisherige Rechtslage bestehen bleibe. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass durch die rückwirkende Steuerbefreiung allgemein eine günstigere Rechtslage eingetreten sei, von der zahlreiche Steuerzahlende profitierten. Der Umstand, dass hiermit als Rechtsreflex auch für Einzelne steuerlich nachteilige Folgen verbunden seien, führe nicht zu einem anderen Ergebnis.

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1. Schiffsfonds: Sind Fondsetablierungskosten Anschaffungskosten?

Die Anwendung des § 6e EStG auf Gründungskosten eines Schifffonds ist auch rückwirkend zulässig gewesen.

Hintergrund

Die Klägerin betrieb einen geschlossen Schiffsfonds in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Nach der Gründung im Jahr 2007 schloss sie einen Chartervertrag und einen Vertrag über den Bau eines Schiffs ab. Im Emissionsprospekt, der herausgegeben wurde um Anleger einzuwerben, wurden die rechtlichen und steuerlichen Grundlagen dargestellt.

Die Kosten für Finanzierung und Beratung (sog. Weichkosten) wurden zunächst als Anschaffungskosten behandelt. Als sich herausstellte, dass das Schiff nicht rechtzeitig fertiggestellt werden würde, wurde beschlossen, den eingeworbenen Anlegern eine alternative Beteiligung an einer anderen GmbH & Co. KG anzubieten. In dieser Beteiligung behandelte die Klägerin die bereits aufgelaufenen Anschaffungskosten des ersten Schiffs als abziehbare Betriebsausgabe. Das Finanzamt teilte diese Auffassung nicht. Die beiden Beteiligungen seien eng miteinander verflochten, zudem sei in der Zwischenzeit § 6e EStG in Kraft getreten, der auch rückwirkend anzuwenden sei.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg, denn das FG wies die Klage ab. Die Kosten der Fondsetablierung seien keine sofort abziehbaren Betriebsausgaben, sondern Anschaffungskosten auch der neuen Beteiligung. Hierbei sei § 6e EStG anwendbar, da zwischen den beiden Investitionsobjekten ein direkter wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe. Die rückwirkende Anwendung der Vorschrift § 6e EStG (die im Jahr 2019 geschaffen worden sei) auf abgeschlossene Zeiträume sei hier zulässig. Aufgrund der ständigen Rechtsprechung des BFH zu Weichkosten sowie auch der einhelligen Verwaltungspraxis habe kein schutzwürdiges Interesse der Klägerin bestanden. Diese habe nicht darauf vertrauen können, dass die Kosten als Betriebsausgabe hätten berücksichtigt werden können.

2. Zur Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften

Seit 2021 dürfen in einem Veranlagungsjahr Verluste aus Termingeschäften nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und Einkünften aus Stillhalterprämien verrechnet werden. Die nur im Veranlagungsverfahren anzuwendende Verlustverrechnungsregelung hält der BFH bei summarischer Prüfung für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Hintergrund

Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Antragsteller erzielten im Streitjahr 2021 auch Einkünfte aus Kapitalvermögen.

In der Einkommensteuererklärung 2021 erklärten die Antragsteller u. a. ausländische Kapitalerträge aus Termingeschäften ohne Steuerabzug von 250.631 EUR und Verluste aus Termingeschäften ohne Steuerabzug von 227.289 EUR.

Wirtschaftlich entstand aus den Termingeschäften ein Gewinn von (250.631 EUR – 227.289 EUR =) 23.342 EUR.

Steuerlich ließ die Finanzverwaltung jedoch eine Verlustverrechnung nur i. H. v. 20.000 EUR zu, sodass im Ergebnis (250.631 EUR – 20.000 EUR=) 230.631 EUR im VZ 2021 der Besteuerung unterlagen.

Die nicht im VZ 2021 verrechneten Verluste werden in den Folgejahren verrechnet, wenn denn in diesen VZ verrechenbare Gewinne erzielt werden bzw. worden sind.

Das Finanzamt setzte für das Streitjahr unter Beachtung der Verlustverrechnungsregelung eine Einkommensteuer i. H. v. 52.280 EUR fest. Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung. Diesen begründeten die Antragsteller mit der vorgeblichen Verfassungswidrigkeit der Verlustverrechnungsnorm, weil die Steuer im Verlustverrechnungsjahr höher als der Netto-Gewinn von 23.342 EUR sei.

Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet ab.

Das FG äußerte ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der seit 2021 geltenden Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäftsverluste.

Entscheidung

Nach Auffassung des BFH habe das FG zu Recht die Vollziehung ausgesetzt, weil bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids bestünden.

Die Verlustverrechnungsbeschränkung ist bei gebotener summarischer Prüfung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Einschränkung, Verluste aus Termingeschäften nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und aus Stillhalterprämien, nicht aber mit Gewinnen aus anderen Kapitalanlagen ausgleichen und verrechnen zu können, führt zu einer Ungleichbehandlung.

Diese Ungleichbehandlung wird dadurch verschärft, dass Verluste und Gewinne von Termingeschäften im Verlustentstehungsjahr betragsmäßig auf 20.000 EUR eingeschränkt werden, wohingegen bei Aktiengeschäften eine unbegrenzte Verrechnung von Verlusten mit Gewinnen im Verlustentstehungsjahr zugelassen wird. Wirtschaftlich nicht erzielte Gewinne werden hierdurch besteuert.

Die doppelte Begrenzung des Verlustausgleichs und der Verlustverrechnung führt zu einer zeitlichen Streckung der Verrechnung von Verlusten aus Termingeschäften. Die Grundkonzeption einer zeitlichen Streckung der Verlustverrechnung ist verfassungsrechtlich nur dann nicht zu beanstanden, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Verlustausgleich in der Totalperiode gänzlich ausgeschlossen ist. Hiervon ist bei der Verlustverrechnungsbeschränkung aber gerade nicht auszugehen. Denn die Verlustverrechnung wirkt nur bei Erzielung von Gewinnen aus Termingeschäften in Folgejahren; hiervon kann nicht typischerweise ausgegangen werden. Der Effekt wird durch die jährliche Betragsgrenze von 20.000 EUR verschärft. Im Streitfall bräuchte der Antragsteller für die Verrechnung des gesondert festgestellten Verlustes von ca. 207.000 EUR mehr als 10 Jahre, um diese mit positiven Einkünften aus Termingeschäften und Stillhalterprämien zu verrechnen.

Eine Schlechterstellung ergibt sich für Verluste aus Termingeschäften auch, weil diese gegenüber anderen Kapitalerträgen nicht bereits im Rahmen des Steuerabzugs ausgeglichen werden.

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1. Scheinselbstständigkeit: Reitlehrerin ohne eigene Pferde

Ein Reitverein ist verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge für eine Reitlehrerin zu zahlen, wenn diese abhängig beschäftigt ist. Indizien für eine Scheinselbstständigkeit sind die unentgeltliche Nutzung der vereinseigenen Pferde und der Reithalle sowie das Fehlen eines unternehmerischen Risikos.

Hintergrund

Eine Reitlehrerin unterrichtete Mitglieder eines gemeinnützigen Reitvereins mit den vereinseigenen Schulpferden auf dem Vereinsgelände zwischen 12 und 20 Stunden wöchentlich. In den Jahren 2015 bis 2018 zahlte ihr der Verein pro Reitstunde 18 EUR.

Die Deutsche Rentenversicherung prüfte den Betrieb des Reitvereins. Sie stellte fest, dass die Reitlehrerin abhängig beschäftigt ist und forderte von dem Verein Rentenversicherungsbeiträge nach. Der Reitverein wandte hiergegen ein, dass die Reitlehrerin selbstständig tätig sei.

Entscheidung

Das Landessozialgericht gab der Rentenversicherung Recht. Die Beitragsnachforderung sei rechtmäßig. Eine abhängige Beschäftigung liege vor. Zwar könne ein nebenberuflicher Übungsleiter oder Trainer in Sportvereinen auch selbstständig tätig sein, wie das Vertragsmuster „Freier-Mitarbeiter-Vertrag Übungsleiter Sport“ der Rentenversicherung belege. Ein solcher Vertrag sei jedoch vorliegend zwischen dem Reitverein und der Reitlehrerin nicht geschlossen worden.

Zudem sprächen im konkreten Einzelfall mehr Anhaltspunkte für das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung. So habe die Reitlehrerin kein unternehmerisches Risiko getragen. Sie habe keine Rechnungen erstellt und ausschließlich die vereinseigenen Pferde einschließlich Sattel und Zaumzeug genutzt, wofür sie - wie auch für die Nutzung der Reithalle - kein Entgelt gezahlt habe. Die Hallenzeiten habe sie mit dem Reitverein abgestimmt. Der Reitverein habe die Stundenvergütung vorgegeben. Die Jahresvergütung von durchschnittlich über 6.500 EUR habe die steuerfreie Aufwandspauschale für Übungsleiter weit überschritten. Schließlich habe der Reitverein auf seiner Homepage mit „unsere Reitlehrerin“ geworben und selbst die Verträge über den Reitunterricht mit den Reitschülern geschlossen.


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1. Erbschaftsteuer: Nicht jede Betriebsverpachtung an den Erben ist begünstigt

Betriebliches Vermögen ist im Erbschaftsteuergesetz privilegiert. Trotz Vorliegens von betrieblichem Vermögen tritt jedoch grundsätzlich ein Begünstigungsausschluss für Verwaltungsvermögen ein. In dem vom BFH zu entscheidenden Sachverhalt stellte sich die Frage, ob ein an den Erben verpachtetes Parkhaus nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen auslöst.

Hintergrund

Der Kläger ist Alleinerbe seines in 2018 verstorbenen Vaters (Erblasser).

Die Erbeinsetzung erfolgte durch notariell beurkundetes Testament.

Zum Nachlassvermögen gehört das Einzelunternehmen des Erblassers. Dieses umfasste ein mit einem Parkhaus und einer Tankstelle bebautes Grundstück.

Das Parkhaus, das täglich 24 Stunden geöffnet war, hatte der Erblasser ursprünglich selbst betrieben und damit Parkplätze an Dritte vermietet. Ab Anfang 2000 verpachtete er das Parkhaus unbefristet an den Kläger. Die Einnahmen aus dem Pachtverhältnis führten beim Erblasser ertragsteuerlich zu gewerblichen Einkünften.

Die Tankstelle, die 7,12 % der gesamten Bruttofläche des bebauten Grundstücks ausmachte, war bis Ende 2018 an eine GmbH verpachtet.

In der Erklärung zur Feststellung des Werts des Betriebsvermögens ging der Kläger davon aus, dass kein Verwaltungsvermögen vorhanden war.

Nach Auffassung des Finanzamts stellte das Parkhaus-Grundstück in vollem Umfang begünstigungsschädliches Verwaltungsvermögen dar. Der an den Kläger verpachtete Betrieb (Parkhaus) stellte vor der Verpachtung bei dem Erblasser Verwaltungsvermögen dar.

Das FG schloss sich der Auffassung der Finanzverwaltung an und qualifizierte das Parkhaus ebenfalls als Verwaltungsvermögen.

Entscheidung

Die gegen die Entscheidung des FG eingelegte Revision hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen.

Zum von der Begünstigung des Betriebsvermögens ausgeschlossenen Verwaltungsvermögen gehören Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke und Grundstücksteile. Hierzu rechnen sowohl das zum Todeszeitpunkt des Erblassers an den Kläger verpachtete Parkhaus als auch die an eine GmbH verpachtete Tankstelle.

Zur Zuordnung zum begünstigten Vermögen kann es bei Anwendung einer sog. Rückausnahme kommen. Die Voraussetzung für die Anwendung dieser sog. Rückausnahme ist nur in Bezug auf die Parkhausverpachtung erfüllt. Denn der Parkhausbetrieb wird unbefristet an den Kläger verpachtet. Die Verpachtung führte beim Erblasser zu gewerblichen Einkünften. Der Erblasser hatte den Kläger als Pächter des Parkhauses durch Testament als Erben eingesetzt.

Diese Rückausnahme erfährt aber eine erneute Einschränkung. Die Rückausnahme von der Rückausnahme gilt danach nicht für verpachtete Betriebe, soweit sie vor ihrer Verpachtung die Voraussetzung für die Begründung von begünstigtem Vermögen nicht erfüllt haben und für verpachtete Betriebe, deren Hauptzweck in der Überlassung von Grundstücken, Grundstücksteilen, grundstücksgleichen Rechten und Bauten an Dritte zur Nutzung besteht, die Wohnungsunternehmen sind.

Das an den Sohn verpachtete Parkhaus war bereits vor dieser Verpachtung steuerschädliches Verwaltungsvermögen des Erblassers, da die verfügbaren Parkplätze durch diesen als früheren Betreiber an die Parkenden (= Dritte) zur Nutzung überlassen wurden. Betrachtet werden muss damit nicht nur das Verhältnis zwischen dem Erblasser und dem Erben.

Als Nutzungsüberlassung an Dritte sieht der BFH sowohl die kurzfristige als auch die längerfristige Parkplatzvermietung an. Forderungen, kurzfristige Überlassungen nicht als eine solche Nutzungsüberlassung anzusehen, hat der BFH bei seiner wortlautgetreuen Auslegung nicht übernommen. Unerheblich sei auch, dass durch die entgeltliche Parkplatzvermietung für Kurzparker ertragsteuerlich originäre gewerbliche Einkünfte erzielt werden. Selbst wenn ertragsteuerlich gewerbliche Einkünfte vorliegen, liegt eine Überlassung von Grundstücksteilen zur Nutzung an Dritte vor.

Die Sonderregelung für Wohnungsunternehmen kommt im Entscheidungsfall nicht zur Anwendung.

Unbeachtlich ist, ob zu der Überlassung der Parkplätze weitere gewerbliche Leistungen, z. B. eine Ein- und Ausfahrtkontrolle und eine Entgeltzahlungsdienstleistung, hinzukommen. Darauf stellt das Erbschaftsteuergesetz nicht ab.

Der BFH sieht in der einschränkenden Regelung keine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen Grundstücksüberlassungen.

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